Die Aargauer SVP spricht Klartext. Regierungsrätin Franziska Roth (54), Vorsteherin des Departements Gesundheit und Soziales, muss über die Bücher. Und zwar schnell. Es gebe «dringend notwendige Korrekturen bezüglich Führung, Organisation und Kommunikation», so die Kantonalpartei. Gelinge es Roth nicht bis vor den Sommerferien, das Steuer noch herumzureissen, müsse die Regierungsrätin «die Konsequenzen ziehen».
Ungewöhnlich scharfe Worte
Es sind ungewöhnlich scharfe Worte einer Partei an eine eigene Mandatsträgerin. Doch selbst bei der SVP ist der Geduldsfaden nun gerissen. Vorletzte Woche hatte sich Roth im Parlament eine Standpauke anhören müssen. In einer Fraktionserklärung kritisierten FDP, CVP und die Grünen das «mangelnde Vertrauensverhältnis». Roth fehle es an Respekt gegenüber Politikern, sie kommuniziere schlecht und bemühe sich nicht um eine gute Zusammenarbeit zwischen Gesundheitsdepartement und Politik.
Das Fass zum Überlaufen gebracht hatte ein Interview, das Roth dem Regionalsender «Tele M1» gegeben hatte. Ein Aargauer Psychiater hatte jahrelang Sex mit einem Missbrauchsopfer. Obwohl sie bereits seit langem von dem Skandal Kenntnis hatte, griff Roth nicht ein und wies alle Vorwürfe zurück. Stattdessen teilte sie gegen ihre Mitarbeiter, die Staatsanwaltschaft und die Parlamentarier aus. Den Grossräten warf sie pauschal vor, sie seien intrigant, würden «versteckte Agenden verfolgen» und sowieso zu viele unnötige Vorstösse einreichen.
Hinzu kommt, dass es im Gesundheitsdepartement seit Roths Amtsantritt stetig zu Abgängen von Führungsleuten kommt. Aufgrund der Vorfälle wurde Roth vergangene Woche teilentmachtet. Der Regierungsrat hat ihr die Verantwortung über das Kantonsspital Aarau entzogen.
Krisensitzung mit Parteichef Albert Rösti
SVP-Aargau-Präsident und Nationalrat Thomas Burgherr (56) sagte heute an der Medienkonferenz, man habe bereits vor einem Jahr das Gespräch mit Roth gesucht, weil «die Fortschritte aus Sicht der Parteileitung zu gering waren». Man habe der Regierungsrätin Vorschläge gemacht – jedoch sei Roth nicht darauf eingegangen.
Am letzten Freitag fand dann eine Krisensitzung im Beisein von Parteipräsident Albert Rösti statt. «Man musste leider feststellen, dass die Lage prekär ist. Wegen Mängeln in Führung, Organisation und Kommunikation ist das Vertrauen von Parlament und Mitarbeitenden im Departement weitgehend weg», sagte Burgherr heute. «Das Funktionieren der Verwaltung ist in Frage gestellt.» Zudem drohten wichtige Geschäfte zu scheitern.
Man habe Roth deshalb vor zwei Optionen gestellt: entweder, sie tritt zurück, oder sie lässt eine externe Evaluation ihres Departements zu und nimmt Hilfe an. Roth habe sich für Letzteres entschieden. «Sie lehnt einen Rücktritt ab und bleibt im Amt», sagt Burgherr. «Wir werden sie nun mit vereinten Kräften unterstützen.»
SVP muss sich an der Nase nehmen
Doch die SVP muss sich auch selber an der Nase nehmen. Schon im Wahlkampf war Roth umstritten und war nicht davor zurückgeschreckt, die Arbeit von Parteikollegen zu kritisieren. Man habe damals eine sehr gute Evaluation durchgeführt, sagt Burgherr. Die SVP sei davon überzeugt gewesen, dass sie die richtige Kandidatin sei.
Diese Hoffnung wurde offensichtlich enttäuscht. «Es gibt keine Lehre als Regierungsrat», so Burgherr. Roth habe zudem ein schwieriges Departement gefasst, welches nun in Schieflage geraten sei. «Wir und auch sie haben unterschätzt, dass sie eine Quereinsteigerin ist und sie unsere Hilfe vermehrt hätte annehmen müssen.»
Das müsse sich nun dringend ändern, so Burgherr. «Frau Roth muss in sich gehen und unseren Rat zu 100 Prozent annehmen. Wir müssen das Steuer jetzt herumreissen.» Burgherr zeigte sich zuversichtlich, dass dies auch gelingen werde.
Gnadenfrist bis Ende Mai
Und wenn nicht? Dann werde die SVP die Konsequenzen ziehen. Eine Rücktrittsforderung werde dann zum Thema, so Burgherr. Von einem Parteiausschluss will er aber nichts wissen, denn: «Die Parteiinteressen vertritt sie sehr gut, da gibt es kein Problem.»
Roth erhält nun eine Gnadenfrist bis Ende Mai. Dann müssten «deutliche Verbesserungen öffentlich sichtbar und spürbar sein» so Burgherr. So müsse Roth ihr Netzwerk im und ausserhalb des Kantons stärker pflegen und ausbauen. Und sie müsse auch das in der Partei gebündelte Wissen besser nutzen – gerade im Gesundheitsbereich.