Die neusten Entscheidungen des Ständerats im Strassenverkehrsgesetz lassen viele Leserinnen und Leser den Kopf schütteln. Nach dem Nationalrat ist nun auch der Ständerat der Meinung, dass Raser nicht mehr zwingend hinter Gitter müssen. Damit wird auch die Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr aufgehoben.
Gesetzespaket Via Secura
Bislang gilt die «Via Secura»: ein Gesetzespaket von 2012 mit dem Ziel, die Unfallzahlen im Strassenverkehr möglichst tief zu halten. Umstritten war es bei seiner Einführung, weil es in den Gerichten wenig Spielraum bei der Strafbemessung bei Verkehrsdelikten (vor allem Tempoüberschreitungen) lässt. Aber der Erfolg gab dem Bundesrat recht: Im Jahr 2012 verunglückten noch 339 Personen im Strassenverkehrs tödlich. Bis 2021 ist diese Zahl auf 200 zurückgegangen.
Die Via Secura findet Leser Ivo Büsser alles andere als gut. Damit würden die normalen Autofahrer bestraft und die eigentlichen Raser laufen gelassen. «Raser sind für mich Leute, welche mit 150 Kilometern pro Stunde durchs Dorf rasen oder andere Verkehrsteilnehmer rücksichtslos abschiessen. Aber nicht der Otto Normalverbraucher, der mal kurz unaufmerksam war oder einfach nur Pech hatte.»
«Rasen ist Absicht»
Steve Salzmann hat für Raser wenig Verständnis: «Wer rast, macht das in der Regel absichtlich, daher liegt es komplett in der eigenen Verantwortung.» Sofern niemand anders zu Schaden kommt, wäre er für einen Mindestentzug des Führerscheins über zwei Jahre hinweg. Er beteuert: «Wir reden beim Rasen nicht von kleinen Tempoüberschreitungen.» Gemeint sind grössere Diskrepanzen, beispielsweise wenn in einer 50er-Zone mit mehr als 80 Kilometern pro Stunde gefahren wird. «Wer beruflich auf den Führerschein angewiesen ist, fährt auch dementsprechend. So einfach ist das!»
Auch Markus Trümmer hat eine klare Meinung zur Debatte: «Raser gehören zwingend ins Gefängnis! Sie spielen nicht nur mit ihrem Leben, sondern auch mit jedem anderen Leben in der Nähe.»
Martin Zürcher kann den Entscheid ebenso nicht nachvollziehen. «Rasen wird damit auf ein ‹Kavaliersdelikt› heruntergestuft, was man nur als verwerflich bezeichnen kann.» Er spricht sich klar für eine Gefängnisstrafe aus. «Damit setzt man eher ein Zeichen, um von weiteren Raserdelikten zu schützen. Es ist mir komplett unverständlich, dass man diese Leute noch mit Samthandschuhen anfasst!»
«Die Strafen für Raser waren bisher unverhältnismässig hoch!»
Wie bei jeder reichhaltigen Debatte gibt es aber auch Gegenstimmen. Nicht alle finden die neuen Beschlüsse bedenklich. So etwa Jan Huber. «Fährt man einmal etwas zu schnell oder überholt unüberlegt, kassiert man eine massive Strafe, die einen die Existenz kosten kann! Mit den neuen Strafen haben die Täter eine zweite Chance. Ausserdem sind es immer noch Mindeststrafen, der Richter hat einen Spielraum.»
Auch Martin Müller kann mit dem neuen Entscheid gut leben. «Endlich wird wieder eine Verhältnismässigkeit hergestellt und den Gerichten den notwendigen Handlungsspielraum und das Ermessen zurückgegeben.» Dem doppelt er gleich noch mal nach: «Diese ‹Anti-Raser› Strafbestimmungen lagen schon lange quer in der Landschaft des Strafrechts und die Strafandrohung liegt im Vergleich zu anderen Delikten eindeutig zu hoch!»