Laura Sadis (56) und Christian Vitta (44)
Die anderen zwei Tessiner Bundesrats-Kandidaten

Die erfahrene Laura Sadis (56) oder der smarte Christian Vitta (44) könnten FDP-Nationalrat Ignazio Cassis in der parteiinternen Kandidatenkür ausstechen.
Publiziert: 23.06.2017 um 08:46 Uhr
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Aktualisiert: 12.10.2018 um 15:47 Uhr
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Das Tessin sei mehr als nur Boccalino und Merlot, sagt FDP-Staatsrat Christian Vitta: «Ich glaube an eine langfristige Vision.»
Foto: Philippe Rossier
Joël Widmer, Sermîn Faki (Text) und Philippe Rossier (Foto)

Die Sonne brennt, doch oben beim Castelgrande in Bellinzona geht ein angenehmer Wind. FDP-Staatsrat Christian Vitta sitzt auf der Steinbank eines Grottos und zeigt Richtung Südwesten: «Da vorne in der Magadinoebene bin ich aufgewachsen.» Der Vater, ein Kantonsbeamter, sass schon für die FDP im Gemeinderat von Sant’Antonino. Der Sohn trat mit 23 Jahren in seine Fussstapfen. Schon vier Jahre später wurde er Gemeindepräsident, dann Kantonsrat und vor gut zwei Jahren gar Regierungsrat. Vitta, Vater dreier Kinder und Vertreter einer neuen smarten Politikergeneration, legte eine Musterlaufbahn hin und steht nun – 44 Jahre alt – an der Schwelle zu Bundesbern.

Vitta kämpft im Tessin mit massiven Kontrollen gegen Lohndumping

Die Chance des Tessins auf einen Sitz im Bundesrat ist so gross wie seit langem nicht mehr. Diese Gelegenheit will die Tessiner FDP nicht verpatzen und nimmt sich bei der Kandidatenkür Zeit. Nationalrat Ignazio Cassis ist nördlich des Gotthards für viele der klare Favorit. Er sagte, er überlege sich das – und tauchte ab. Diese Woche ist er gar nicht im Tessin, sondern in Bern. Und Vitta? Der sagt zu seiner möglichen Kandidatur: «Wir werden das in der FDP Tessin diskutieren.»

In seinem Büro, gleich unterhalb des Burghügels, preist Vitta seine Erfolge, mehrere Mäppchen mit Massnahmen, Statistiken, Kennzahlen liegen vor ihm. «Ich glaube an eine langfristige Vision», sagt er. Das Tessin sei mehr als nur Boccalino und Merlot. Der ehemalige Partner einer Treuhandfirma will die Finanzen weiter sanieren, die Digitalisierung nutzen. Da ist er voll auf Linie der nationalen FDP. Doch ein Kandidat Vitta dürfte in Bundesbern auch links der Mitte Anklang finden. Vitta bekämpft Lohndumping mit massiven Kontrollen. 22 Prozent der Arbeitgeber würden im Tessin kontrolliert. «Und wir werden bald noch mehr Kontrollen durchführen», kündigt er an.

Vitta ist damit ein typischer Vertreter der staatstragenden FDP der nördlichen Kantonshälfte. «Ich bin ein Pragmatiker», sagt er selbst.

Sadis hat 30 Jahre Erfahrung in Parlament und Regierung

Szenenwechsel. Das traditionsreiche Caffè Vanini auf der Piazza Riforma in Lugano. Die ehemalige FDP-Staatsrätin Laura Sadis nimmt einen Schluck Cola Zero und sagt unverblümt: «Die Chancen sind so gut wie lange nicht mehr. Die FDP Tessin muss nun eine gute Strategie entwerfen.»

Auch Sadis steht auf der inoffiziellen Liste der Bundesratsanwärter. Und auf den ersten Blick bringt die 56-Jährige alles für eine erfolgreiche Kandidatur mit: Die Vorgängerin von Vitta in der Tessiner Regierung kann auf über 30 Jahre in Legislativ- und Exekutivämtern auf allen Ebenen zurückblicken, von 2003 bis 2007 sass sie im Nationalrat. Heute sitzt sie in verschiedenen Verwaltungsräten, etwa bei Alptransit und der Schweizerischen Exportrisikoversicherung, und engagiert sich im IKRK.

Die charmante Ökonomin gilt als dossierfest und fleissig – weshalb sie im Tessin gern mit alt Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf verglichen wird. Kommt hinzu: Eine weibliche Kandidatur stünde der FDP gut an. Auch Sadis ist eher dem staatstragenden Flügel der Tessiner Freisinnigen zuzurechnen – was Vorteil und Nachteil sein kann, je nachdem, wo die FDP Stimmen besorgen muss.

Lob für Cassis

Doch Sadis hält sich bedeckt. «Ich sage nicht Nein und nicht Ja. Es ist an meiner Partei, jene Kandidaten zu finden, welche die besten Chancen haben.» Sie findet, Cassis habe alles, was es für einen guten Bundesrat brauche. Denn das Wichtigste sei das Tessin: «Dass Deutschschweizer, Romands und Tessiner so verschieden sind, zählt zu unseren Stärken. Das sollten wir nutzen.»

Im Gegensatz zu Sadis und Cassis ist Vitta in der Deutschschweizer Öffentlichkeit unbekannt. Dennoch hat er zu den Entscheidungsträgern in Bern einen guten Draht. So sitzt er etwa im Bankrat der Nationalbank. Dort gilt er als interessierter, wacher Typ, der den Sachen auf den Grund gehe. Seine Kontakte reichen gar bis in den Bundesrat: «Nach dem Studium in Freiburg habe ich während des Doktorats einige Kurse zusammen mit dem heutigen SP-Bundesrat Alain Berset belegt.»

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