Wer Bauer werden will, braucht Köpfchen. Mit der Grösse der Betriebe und der Regulierungsdichte sind in den vergangenen Jahrzehnten auch die Anforderungen an die Landwirte gestiegen. Der Bundesrat will bei der Ausbildung die Messlatte deshalb höher legen.
Heute reicht eine drei- oder sogar nur zweijährige Lehre, um Direktzahlungen zu bekommen. Das ist zu wenig, findet die Landesregierung. Im Rahmen der Agrarpolitik 22+, welche die Landwirtschaftspolitik des Bundes für die Jahre 2022 bis 2025 festlegt, soll die Schraube angezogen werden. Künftig sollen nur noch Bauern mit bestandener Berufsprüfung – also mit einem Fachausweis der höheren Berufsbildung – Anspruch auf Bundesgelder haben. Die Akademisierung hält Einzug im Kuhstall.
Zwei bis drei Semester zusätzlich
Konkret sollen angehende Bauern künftig zusätzlich zwei bis drei Semester Betriebswirtschaft pauken. Auf dem Stundenplan stehen unter anderem Marketing und Personalführung. Die neuen Anforderungen sollen nur für Neubauern gelten. Wer schon einen Hof hat und Direktzahlungen bezieht, wäre nicht betroffen. Zudem sind Ausnahmen vorgesehen, zum Beispiel für kleine Bergbauernhöfe.
«Die Herausforderungen in der Betriebsführung werden auch für Bäuerinnen und Bauern immer komplexer», begründet das Bundesamt für Landwirtschaft die Verschärfung. Aus seiner Sicht kommen Nachwuchsbauern daher nicht darum herum, die Schulbank zu drücken.
Bauernverband warnt vor «Nachwuchsproblem»
Die Betroffenen selbst sehen das freilich anders. «Die Pläne des Bundesrats sind gut gemeint, aber unrealistisch», sagt Markus Ritter (52), Präsident des Schweizer Bauernverbands und CVP-Nationalrat. Zahlen des Verbands zeigen: Nur rund jeder Fünfte, der heute eine Ausbildung im Landwirtschaftsbereich abschliesst, kann eine bestandene Berufs- oder gar Meisterprüfung vorweisen. Das heisst: Nur noch 20 Prozent der Neubauern hätten Anspruch auf Direktzahlungen.
Sicher liesse sich diese Quote steigern, sagt Ritter. Doch nicht in einem Masse, wie sich dies der Bund vorstelle: «Dazu reichen bei vielen die schulischen Leistungen einfach nicht aus.» Würden die neuen Anforderungen tatsächlich Realität, stehe man vor einem «massivem Nachwuchsproblem».
Auch die Parteien sind kritisch
Auch für die kantonalen Landwirtschaftsdirektoren geht die geplante Verschärfung «definitiv zu weit», wie sie in ihrer Vernehmlassungsantwort zum Reformpaket festhalten. Auch sämtliche Parteien üben Kritik an den Plänen des Bundesrats, FDP und GLP allerdings weniger grundsätzlich als die bauernfreundlichen Parteien SVP und CVP.
Bereits seit Jahren umstritten ist die Regelung für Quereinsteiger. Sie kommen heute per Schnellbleiche an Subventionen – es reicht eine 35-tägige Weiterbildung, von der fünf Tage aus Exkursionen bestehen. Der Bundesrat will diese Direktzahlungskurse nun abschaffen und auch hier an der Ausbildungsschraube drehen. Der Bauernverband befürwortet diesen Schritt, während Klein- und Bergbauern, die um den Nachwuchs fürchten, sich dagegen wehren.
Der Bundesrat entscheidet
Das letzte Wort wird der Bundesrat haben. Da für die Anpassung der Ausbildungsanforderungen nur eine Verordnungs- und keine Gesetzesänderung nötig ist, kann die Regierung in diesem Punkt des Reformpäcklis ohne Mitsprache des Parlaments entscheiden.
Angesichts des heftigen Widerstands von unterschiedlichen Seiten wird sich Agrarminister Guy Parmelin (59) aber zweimal überlegen, die von seinem Vorgänger Johann Schneider-Ammann (67) vorgesehene Verschärfung tatsächlich durchzustieren. Er selbst – Landwirt mit bestandener Berufsprüfung – hat während knapp 20 Jahren Lehrlinge ausgebildet.
Insgesamt 13,915 Milliarden Franken sollen die Bauern von 2022 bis 2025 erhalten, verlangt der Bundesrat. Das ist jährlich etwa gleich viel wie heute. Da es aber Jahr für Jahr weniger Landwirtschaftsbetriebe gibt, bleibt für den einzelnen Bauern, der weitermacht, mehr übrig. Im Jahr 2025 dürfte jeder Betrieb so 12 000 Franken mehr an Subventionen erhalten.
Von den fast 14 Milliarden Franken der bundesrätlichen Agrarpolitik für 2022 bis 2025 (AP22+) sollen rund 11,3 Milliarden als Direktzahlungen an die Landwirte ausgeschüttet werden. Neu sollen Direktzahlungen aber auf 250 000 Franken pro Betrieb beschränkt sein. Davon wären laut den Behörden etwa 100 Betriebe betroffen, die insgesamt zwei bis vier Millionen Franken weniger Direktzahlungen bekommen.
Die AP22+ wurde noch unter dem vorherigen Landwirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann (67, FDP) entworfen. Wie Schneider-Ammann erklärt hatte, will man mit der AP22+ den Landwirten die Möglichkeit geben, aus eigener Kraft mehr Geld zu verdienen. «Die Bauern wollen nicht in erster Linie Subventionen, sondern einen fairen Preis für ihre Produkte», sagte er. Dabei will der Bundesrat die Landwirte unterstützen: Für silofreie Milch soll es doppelt so viel Geld geben – dies zulasten der Silomilch. Denn mit silofreier Milch lassen sich hochwertige Rohmilchkäse herstellen, die sich im In- und Ausland besser absetzen lassen als Durchschnittsware.
Eine Deregulierung beim Boden- und Pachtrecht soll neue Möglichkeiten bringen. Heute gelangen nämlich Personen, deren Familien nicht über landwirtschaftlichen Besitz verfügen, nur schwer an Agrarflächen. So verleihen branchenfremde Leute mit neuen Ideen dem Landwirtschaftssektor aber kaum neue Impulse.
Die AP22+ enthält aber auch eine Art indirekten Gegenvorschlag zur Trinkwasser-Initiative. Diese verlangt, dass nur noch Landwirtschaftsbetriebe unterstützt werden, die ohne Pflanzenschutzmittel, vorbeugende Antibiotika und zugekauftes Futter auskommen.
Wie bei der AP22+ weiterverfahren wird, liegt in den Händen des neuen Landwirtschaftsministers Guy Parmelin (59, SVP).
Pascal Tischhauser
Insgesamt 13,915 Milliarden Franken sollen die Bauern von 2022 bis 2025 erhalten, verlangt der Bundesrat. Das ist jährlich etwa gleich viel wie heute. Da es aber Jahr für Jahr weniger Landwirtschaftsbetriebe gibt, bleibt für den einzelnen Bauern, der weitermacht, mehr übrig. Im Jahr 2025 dürfte jeder Betrieb so 12 000 Franken mehr an Subventionen erhalten.
Von den fast 14 Milliarden Franken der bundesrätlichen Agrarpolitik für 2022 bis 2025 (AP22+) sollen rund 11,3 Milliarden als Direktzahlungen an die Landwirte ausgeschüttet werden. Neu sollen Direktzahlungen aber auf 250 000 Franken pro Betrieb beschränkt sein. Davon wären laut den Behörden etwa 100 Betriebe betroffen, die insgesamt zwei bis vier Millionen Franken weniger Direktzahlungen bekommen.
Die AP22+ wurde noch unter dem vorherigen Landwirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann (67, FDP) entworfen. Wie Schneider-Ammann erklärt hatte, will man mit der AP22+ den Landwirten die Möglichkeit geben, aus eigener Kraft mehr Geld zu verdienen. «Die Bauern wollen nicht in erster Linie Subventionen, sondern einen fairen Preis für ihre Produkte», sagte er. Dabei will der Bundesrat die Landwirte unterstützen: Für silofreie Milch soll es doppelt so viel Geld geben – dies zulasten der Silomilch. Denn mit silofreier Milch lassen sich hochwertige Rohmilchkäse herstellen, die sich im In- und Ausland besser absetzen lassen als Durchschnittsware.
Eine Deregulierung beim Boden- und Pachtrecht soll neue Möglichkeiten bringen. Heute gelangen nämlich Personen, deren Familien nicht über landwirtschaftlichen Besitz verfügen, nur schwer an Agrarflächen. So verleihen branchenfremde Leute mit neuen Ideen dem Landwirtschaftssektor aber kaum neue Impulse.
Die AP22+ enthält aber auch eine Art indirekten Gegenvorschlag zur Trinkwasser-Initiative. Diese verlangt, dass nur noch Landwirtschaftsbetriebe unterstützt werden, die ohne Pflanzenschutzmittel, vorbeugende Antibiotika und zugekauftes Futter auskommen.
Wie bei der AP22+ weiterverfahren wird, liegt in den Händen des neuen Landwirtschaftsministers Guy Parmelin (59, SVP).
Pascal Tischhauser