«Lahme Ente» Darbellay
Der CVP droht ein Rekordtief

Der Wähleranteil der CVP fällt und fällt. Gemäss einer neuen Umfrage würde die Partei derzeit nur 10,9 Prozent der Stimmen erhalten. So wenig wie nie zuvor! Gründe für das drohende Debakel gibt es viele: Die Führung, die Themen, die Konkurrenz.
Publiziert: 03.08.2015 um 16:05 Uhr
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Aktualisiert: 10.09.2018 um 13:52 Uhr
Mit ihrer Familien-Initiative (hier bei der Einreichung 2012) politisierte die CVP am Volk vorbei.
Foto: Keystone
Von Ruedi Studer

Da hilft der CVP nur noch ein Stossgebet zum Himmel! Der Partei droht bei den Nationalratswahlen im Oktober nämlich eine historische Niederlage.

Nur noch 10,9 Prozent würden derzeit der CVP ihre Stimme geben – 1,4 Prozent weniger als noch 2011. Ein Rekordtief! Das zeigt eine im SonntagsBlick veröffentlichte neue Umfrage.

Damit erhielte die CVP nur noch halb so viele Stimmen wie zu ihren besten Zeiten seit der Einführung des Frauenstimmrechts: 1979 vereinigte die CVP noch 21,3 Prozent auf sich.

Negativtrend in den Kantonen

Der Negativtrend zeichnet sich auch in den Kantonen ab: Gemäss Bundesamt für Statistik hat die CVP bei den letzten Parlamentswahlen in den 25 Kantonen (ohne Appenzell-Innerrhoden) 14 Mal Sitze verloren, nur dreimal hinzugewonnen. In acht Kantonen konnte die Partei ihre Sitze halten.

Unter dem Strich hat die CVP innert weniger Jahre 30 kantonale Parlamentsmandate verloren. Mit nur noch 452 Mandaten liegt sie auf dem vierten Platz –  nun sogar sogar knapp hinter der SP, die 455 Mandate hält.

Doch wieso schafft es die CVP – im Gegensatz zur FDP, die laut Umfrage auf 16,9 (+1,8) Prozent zulegt – nicht, den Negativtrend zu brechen?

Führung, Themen, Profil, Konkurrenz

Folgende Gründe spielen da mit:

> Die Führung: Mit Christophe Darbellay verfügt die Partei seit 2006 über einen Parteipräsidenten, der immer wieder mal über die Stränge schlägt. Mit Darbellay führt die CVP zudem ein Mann in die Wahlschlacht, der selber nicht mehr antritt. Darbellay ist aus dieser Sicht eine «lame duck», wie die Amerikaner sagen, eine «lahme Ente». Dann ist da aber auch CVP-Fraktionschef Filippo Lombardi, der nicht bloss für Positivschlagzeilen sorgt: Als Ständeratspräsident sprengte er 2012/13 das Reisebudget deutlich. Und auch seine Russen-Freundlichkeit gibt zu reden. Folgt schliesslich CVP-Bundesrätin Doris Leuthard: Seit der schmachvollen Vignetten-Niederlage blättert der Glanz ab. Und auch bei der RTVG-Schlacht holte sie sich mit einem allzu knappen Sieg keine Lorbeeren.

> Die Themen: Die selbsternannte Familienpartei will mit Familienpolitik punkten. Doch ihre Volksinitiative für steuerfreie Familienzulagen schiffte ausgerechnet im Wahljahr mächtig ab. Bloss 24,6 Prozent der Stimmenden vermochten sich für das Anliegen zu erwärmen. Nun versucht die CVP mit den Rettung der Bilateralen zu punkten – ein Feld, welches aber schon stark von der FDP besetzt ist. Und etwas hilflos wirkt nun der aktuelle Versuch eines CVP-Grüppchens, sich bei der Asylthematik in die Diskussion einzuklinken.

> Das Profil: Das Beispiel der von einer CVP-Gruppe vorgelegten Asyl-Vorschläge ist symptomatisch für die CVP. In der Partei kämpfen verschiedene Flügel um die Themen-Vorherrschaft. In gesellschaftspolitischen Fragen machen sich urbane und konservative Kreise das Leben schwer (zum Beispiel bei der Pädo-Initiative oder bei der Präimplantationsdignostik). Und auch bei anderen Themen fällt die CVP auseinander, wie etwa beim Streit um eine zweite Gotthard-Röhre. Die CVP vermittelt damit immer wieder das Bild einer zerrissenen Partei.

> Die Konkurrenz: Der Konkurrenzkampf in der Mitte bleibt gross. Die ärgsten CVP-Konkurrenten BDP und GLP bleiben in der SonntagsBlick-Umfrage mit 5,6 beziehungsweise 5,3 Prozent weitgehend stabil. Denkbar ist, dass die CVP Wähleranteile an die erstarkende FDP verliert.

Mutiert die CVP zur 10-Prozent-Partei?

In dieser Lage stellt sich die Frage: Entwickelt sich die CVP zur 10-Prozent-Partei? «Nein, auf keinen Fall! Wir sind gut aufgestellt – das wird sich bei den Wahlen ausbezahlen», ist sich CVP-Nationalrat Gerhard Pfister sicher.

Der Zuger gehört zu den wichtigsten CVP-Parteistrategen und hat den Wahlkampf von 2011 gemanagt. Thematisch sieht er die Partei mit den Schwerpunktenn Familie und Bilaterale auf Kurs. Auch Parteichef Darbellay – Pfister werden selber präsidiale Ambitionen nachgesagt – stellt er nicht in Frage: «Die Alternative zu Darbellay ware eine Führungsdiskussion – und das wäre mitten im Wahlkampf sicher schädlicher.»

«Im Ständerat sind wir die Nummer 1»

Pfister vergleicht auch mit dem letzten Wahlkampf: «2011 hatten wir auch schlechte Umfrageergebnisse – und schnitten dann doch besser ab als erwartet.» Unter dem Strich seien nicht die Prozentzahlen wichtig, sondern die Anzahl der eroberten Sitze. Pfister verweist dabei auf den Ständerat: «Dort sind wir die Nummer 1 – und werden es bleiben!»

Was die Nationalsratswahlen betrifft, meint er zum Schluss: «Entscheidend ist die Mobilisierungsfähigkeit. Entscheidend sind die letzten 100 Tage!»

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