Ein veritabler Spesen-Skandal erschüttert Genf: Die kantonale Finanzkontrolle habe im Verlauf seiner Untersuchung der Spesen der Genfer Stadtexekutive Ausgaben ausgemacht, die «keinen beruflichen Zusammenhang» hätten, sagte Vorsitzende Isabelle Terrier. Der Prüfungsbericht kritisiert allen voran CVP-Nationalrat Guillaume Barazzone (36), der seit 2012 in der Stadtregierung von Genf sitzt.
Barazzone war laut dem Prüfungsbericht dasjenige Exekutivmitglied, das mit 42'000 Franken am meisten Spesen machte. Von dieser Summe entfallen über 17'000 Franken auf Mobiltelefon-Kosten im Jahr 2017 – «ein Betrag, der fünfmal höher ist als im Mittel seiner anderen Kolleginnen und Kollegen», unterstrich Terrier.
Spesen am Strand – und an Weihnachten
Barazzone und Esther Alder (Grüne), die über einen Parkplatz im Stadtzentrum sowie ein Abonnement der Verkehrsbetriebe verfügt, nahmen 2017 zudem jeder über hundert Mal das Taxi. Bei Alder beliefen sich die Spesen auf 3000 Franken, bei Barazzone sogar auf knapp 4000 Franken. Gewisse Taxifahrten erfolgten spät in der Nacht und führten zu privaten Adressen, so Terrier.
Auch im Ausland machte Barazzone und seine Regierungskollegen munter Spesen. Etwa bei späten Nachtessen an ungewöhnlichen Orten für öffentliche Funktionen – so etwa an Touristenorten im Ausland oder in Imbissstuben am Strand.
Und selbst an Weihnachten wurden die Genfer Steuerzahler belastet: So haben Regierungsmitglieder an Feiertagen wie zum Beispiel dem 25. Dezember Spesen gemacht.
Weitere Auslagen betrafen starke alkoholische Getränke, ebenso wie eine edle Champagner-Flasche. Morgens um 6 Uhr. Die Finanzkontrolle kritisiert, dass die Stadt Genf keine klaren Regeln für berufliche Unkosten festgelegt hat. Ausserdem gebe es keine fundierte Überprüfung der Ausgaben.
Champagner in Karaoke-Bar
Die Genfer Stadtregierung trat im Anschluss an die Präsentation der Finanzkontrolle in corpore selber vor die Medien. Barazzone räumte dabei «ungewollte Fehler ein».
Der CVP-Politiker erklärte, er habe einen «intensiven, aber keinen übermässigen Gebrauch» seines Mobiltelefons, das sein wichtigstes Arbeitsinstrument sei. Nachdem er seine Spesen seit seinem Eintritt in die Stadtregierung 2012 analysiert habe, habe er beschlossen, 51'896 Franken zurückzuzahlen.
Barazzone sortierte diejenigen Quittungen aus, die mit Aktivitäten in der Nacht zwischen 01.00 und 06.00 Uhr verbunden waren, wie er sagte. Der CVP-Politiker gestand ein, dass darauf eine Flasche Champagner und drei Cocktails in einer Karaoke-Bar figurierten. Die Fehler seien auch entstanden, weil er seine privaten und beruflichen Kreditkarten verwechselt habe, die sich sehr ähnlich sähen und er für beide den gleichen PIN-Code verwendet habe.
Stadträtin Alder ihrerseits erklärte ihre über hundert Taxifahrten damit, dass sie häufig von zu Hause aus arbeite und dieses Transportmittel bevorzugt habe, wenn sie schwere Unterlagen zu tragen gehabt habe.
Barazzone liess sich in die Emirate einladen
Erst vor zwei Wochen war bekannt geworden, dass sich Barazzone - ähnlich wie der Genfer FDP-Regierungsrat Pierre Maudet - in die Vereinigten Arabischen Emirate zu einem Formel-1-Rennen einladen liess. Die Genfer Staatsanwaltschaft untersucht die Reise.
Der Genfer Stadtpräsident Sami Kanaan (SP) bedauerte den «sehr harten, unangebrachten und kontraproduktiven Ton» des Berichts der Finanzkontrolle. Trotzdem werde die Stadtexekutive die Empfehlungen zu Herzen nehmen. Mehrere Massnahmen seien bereits umgesetzt worden, darunter die Ausarbeitung eines neuen Reglementes für Berufsauslagen der Exekutivmitglieder. (SDA/nmz)