Johann Schneider-Ammann vertritt die Schweiz am 16. Frankofonie-Gipfel, der Ende November in Madagaskar stattfindet. Begleitet wird der Bundespräsident von den SP-Politikern Christian Levrat (FR), Präsident der Schweizer Frankofonie-Parlamentarierdelegation, und Didier Berberat (NE).
Sie sind in illustrer Gesellschaft: Über 30 Staatschef werden in Nobelhotels Cüpli schlürfen, während das Land weiter vor die Hunde geht. Das wollen nicht alle Madegassen mit ansehen. So fordert der Journalist Jeannot Ramambazafy, dass Länder wie die Schweiz ihre Teilnahme überdenken. «Dieser Gipfel ist angesichts der desolaten Lage in Madagaskar unangemessen», sagt er. Andere demonstrieren nicht so friedlich. Erst vor zwei Wochen explodierte vor einem Hotel eine Bombe, bei der zwei Menschen verletzt wurden.
Lynchjustiz und Kinderprostitution
Tatsächlich befindet sich Madagaskar in einem erbärmlichen Zustand: Gewalt und Lynchjustiz sind an der Tagesordnung. Gemäss Amnesty International scheuen selbst Sicherheitskräfte nicht vor illegalen Tötungen zurück. Auch Kinderarbeit und Kinderprostitution gehören zum Alltag.
Gleichzeitig plündern chinesische Rohstoffkonzerne das Land, im Gold- und Mineralienabbau und in der Landwirtschaft. Das zahlt sich aus – für Präsident Hery Rajaonarimampianina und seine Entourage: Reisen mit Privatjets, rauschende Feste in den besten Hotels, ganze Prozessionen von neuen SUVs in den Strassen des Landes.
Desolate Wirtschaftslage
Unterdessen leidet die Bevölkerung unter Armut: Über 90 Prozent der Einwohner leben von weniger als zwei Dollar pro Tag. Nur 49 Prozent haben Zugang zu sauberem Trinkwasser, jedes zweite Kind leidet unter Mangelernährung. Madagaskar gehört zu den am wenigsten entwickelten Ländern der Welt.
Wer sich gegen die Regierung auflehnt, dem droht Gefängnis. Kritische Journalisten, die über die Missstände berichten, riskieren Haftstrafen. Auch mit Umwelt- und Menschenrechtsaktivisten wird kurzer Prozess gemacht. Dem fiel auch ein Schweizer zu Opfer: Deza-Mitarbeiter Walter Arnold wurde 1996 Opfer eines Mordes – er hatte Missstände bei der Auftragsvergabe entdeckt und wollte diese publik machen. Bis heute ist das Verbrechen nicht aufgeklärt.
«Es ist eine Gratwanderung»
Die nach einem Putsch 2009 immer noch isolierte Regierung versucht, ihr Image zu verbessern. Diesem Zweck dient auch der Frankofoniegipfel. Hunderte von Millionen Dollar werden ausgegeben, um die französisch sprechenden Staatschefs zu empfangen: für eine neue Flughafenhalle, Strassen oder Nobelhotels. Geld, das in der Armutsbekämpfung besser eingesetzt wäre und von dem niemand weiss, woher es stammt. «Es gibt keine Transparenz über die Ausgaben und Begünstigten», sagt Journalist Ramambazafy.
Er ist nicht der Einzige, der die Teilnahme der Schweiz kritisch sieht. Auch der Präsident der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats, Roland Rino Büchel, ortet Gefahren. «Das ist immer eine Gratwanderung» sagt er. Typischerweise würden Anlässe wie dieser von den Regimes benutzt, um sich in einem guten Licht darzustellen. «Ist man da im gleichen Umzug, wird man gern als Leumundszeuge missbraucht.»
«Ein Boykott hilft niemandem»
Das sieht Christian Levrat anders, auch wenn er die Kritik nachvollziehbar findet. «Natürlich bereitet es auch mir Unbehagen, dass für diesen Gipfel Millionen ausgegeben werden, die in einem der ärmsten Länder der Welt anderswo besser eingesetzt werden könnten», sagt er. «Doch ein Boykott bringt niemanden weiter.»
Länder wie Madagaskar würden auf dem Radar der Weltöffentlichkeit nicht oft erscheinen. Internationale Treffen könnten das ändern. «Das kann auch für die Demokratie und die Armutsbekämpfung in Madagaskar von Vorteil sein», ist er überzeugt. Menschenrechtler erhielten dadurch die Chance, auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen. «Würden solche Gipfel nur noch in unproblematischen Ländern stattfinden, verkämen sie zu einem Klub der westlichen Demokratien. Das wäre falsch.»
Johann Schneider-Ammanns Ausflug nach Madagaskar ist nicht die erste Bundesratsreise, die für Kritik sorgt. Schon andere Regierungsmitglieder traten auf ihren Reisen ins Fettnäpfchen.
Micheline Calmy-Rey musste 2008 Kritik einstecken, weil sie bei einem Iran-Besuch ein Kopftuch getragen hatte. Für den damaligen CVP-Präsidenten Christophe Darbellay «ein peinlicher Kniefall» vor dem Gottesstaat-Präsidenten Machmud Ahmadinedschad.
Bundespräsident Hans-Rudolf Merz reiste im August 2009 nach Libyen. Um zwei Schweizer Staatsbürger freizubekommen, entschuldigte er sich für die Verhaftung eines Sohnes von Machthaber Muammar al-Gaddafi in Genf. Doch statt die Schweizer brachte Merz nur deren Gepäck mit heim – er war von Gaddafi hinters Licht geführt worden.
Bereits 2006 sorgte Bundesrat Christoph Blocher für Empörung, als er bei einem Besuch in der Türkei die Schweizer Antirassismus-Strafnorm kritisierte. Blocher hatte bedauert, dass in der Schweiz deswegen Strafuntersuchungen gegen Türken liefen, die den Genozid an den Armeniern geleugnet hatten. Für Schweizer Politiker von links bis rechts ein Affront.
Auch Ueli Maurer musste sich für eine Reise rechtfertigen: 2010 sprach er in Israel über eine militärische Zusammenarbeit im Rüstungsbereich – zu einem Zeitpunkt, als das Land internationale Hilfsschiffe, die den Gazastreifen anlaufen wollten, angriff. Über 30 Organisationen hatten Maurer daher aufgefordert, den Besuch abzusagen.
Johann Schneider-Ammanns Ausflug nach Madagaskar ist nicht die erste Bundesratsreise, die für Kritik sorgt. Schon andere Regierungsmitglieder traten auf ihren Reisen ins Fettnäpfchen.
Micheline Calmy-Rey musste 2008 Kritik einstecken, weil sie bei einem Iran-Besuch ein Kopftuch getragen hatte. Für den damaligen CVP-Präsidenten Christophe Darbellay «ein peinlicher Kniefall» vor dem Gottesstaat-Präsidenten Machmud Ahmadinedschad.
Bundespräsident Hans-Rudolf Merz reiste im August 2009 nach Libyen. Um zwei Schweizer Staatsbürger freizubekommen, entschuldigte er sich für die Verhaftung eines Sohnes von Machthaber Muammar al-Gaddafi in Genf. Doch statt die Schweizer brachte Merz nur deren Gepäck mit heim – er war von Gaddafi hinters Licht geführt worden.
Bereits 2006 sorgte Bundesrat Christoph Blocher für Empörung, als er bei einem Besuch in der Türkei die Schweizer Antirassismus-Strafnorm kritisierte. Blocher hatte bedauert, dass in der Schweiz deswegen Strafuntersuchungen gegen Türken liefen, die den Genozid an den Armeniern geleugnet hatten. Für Schweizer Politiker von links bis rechts ein Affront.
Auch Ueli Maurer musste sich für eine Reise rechtfertigen: 2010 sprach er in Israel über eine militärische Zusammenarbeit im Rüstungsbereich – zu einem Zeitpunkt, als das Land internationale Hilfsschiffe, die den Gazastreifen anlaufen wollten, angriff. Über 30 Organisationen hatten Maurer daher aufgefordert, den Besuch abzusagen.