Bund und Kantone beschliessen einschneidende Massnahmen bei der Bekämpfung der Pandemie. Diese Massnahmen, und mit ihnen die Entscheidungsträger, werden inzwischen regelmässig hart kritisiert. Der Burgfrieden, als die Parteien unisono der Landesregierung den Rücken stärkten, brach bereits im Frühling auseinander, seither prägt die Auseinandersetzung über den Kurs der Krisenbewältigung die Politik.
Nun aber, mitten in der zweiten Corona-Welle, werden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Covid-Taskforce in die politische Auseinandersetzung hineingezogen. Jene unparteiischen Experten also, die etwa dem Bundesrat mit ihren Kenntnissen zur Seite stehen, bevor dieser seine Beschlüsse fasst. So auch am Dienstag, als sich die Wirtschaftskommission (WAK) des Nationalrats in Bern zur ausserordentlichen Sitzung traf. FDP-Nationalrätin Regine Sauter (54, ZH) nutzte die Gelegenheit, um per Antrag die Aufnahme von Unternehmensvertretern in die Taskforce zu fordern. Dies, obwohl die Expertengruppe explizit als wissenschaftliche Taskforce konzipiert ist und die Interessenvertreter der Wirtschaftsverbände im Bundesrat sehr wohl Gehör finden. Nicht nur in Krisenzeiten.
Der Antrag fiel durch, dem Vernehmen nach aber nur ganz knapp: Kommissionspräsident Christian Lüscher (56, FDP) habe den Stichentscheid gefällt. Auf Anfrage begründet Sauter ihren Antrag damit, dass die Massnahmen im Kampf gegen Corona ausgewogen sein sollten, die Gesundheit und auch das Funktionieren der Wirtschaft berücksichtigen müssten. Und damit, dass die Unternehmen diese Massnahmen in der Praxis umsetzen müssten. Womit Sauter freilich recht hat – nur trifft dies auf so ziemlich alle Bewohner der Schweiz zu.
Am Ende entscheidet der Bundesrat
«Ja, am Ende entscheidet der Bundesrat und die Interessenvertreter finden sicher Wege, ihren Standpunkt zu artikulieren», sagt die Zürcherin. «Aber wie sagt man: das eine tun und das andere nicht lassen.»
Die SVP ging am Dienstag noch weiter. Sie lancierte eine radikale Forderung: Esther Friedli (43), Nationalrätin aus St. Gallen, verlangte in der WAK gar die Auflösung der Taskforce. Auch dieser Vorschlag fand keine Mehrheit. Friedli bestätigt den Antrag gegenüber SonntagsBlick. Ihr Antrieb ist ebenfalls wirtschaftlicher Natur. «Ich komme aus dem Gastgewerbe und erlebe die Folgen der widersprüchlichen Äusserungen hautnah», sagt sie. Als die Taskforce vor einer Woche die Schliessung aller Restaurants gefordert habe, seien bei unzähligen Wirten die Reservationen storniert worden. Friedli wirtet zusammen mit ihrem Lebenspartner, Ex-SVP-Präsident Toni Brunner (46), im Toggenburg.
Sie kenne keine Studie, fügt sie an, «die besagt, dass Restaurants Treiber dieser Pandemie sind». In der Romandie seien Restaurants geschlossen und die Fallzahlen sind nach wie vor höher als in der Deutschschweiz. «Wir haben in der Gastronomie strenge Schutzkonzepte und sind um die Gesundheit unserer Gäste und Mitarbeiter besorgt», sagt die SVP-Nationalrätin.
Ueli Maurer stört die Expertengläubigkeit
Darum stehe sie zu ihrer Forderung, die Taskforce aufzlösen oder aber deren Mandat zu ändern. Nun überlegt sich Friedli, in der kommenden Session einen entprechenden Vorstoss einzureichen: «Wissenschaftler und Experten tun ja sowieso ihre Meinung kund. Das können sie auch. Aber dann nicht im offiziellen Namen einer Taskforce, die die Regierung beraten soll, aber keine Verantwortung trägt.» Den Wissenschaftlern seien die Auswirkungen «solcher Signale» nicht bewusst. «Es geht um Existenzen!»
Mit dieser Haltung ist Friedli nicht allein. Wie der BLICK berichtete, wird auch im Bundesrat Kritik an der Taskforce laut. Finanzminister Ueli Maurer (69) monierte in der vergangenen Woche bei einer Online-Veranstaltung seiner SVP die «Expertengläubigkeit».
Allerdings beweist die pragmatische Linie der Landesregierung, dass es beileibe nicht die Gesundheitsexperten sind, die dem Land in Eigenregie den Stempel aufdrücken. Ein Ende der Taskforce könnte aus der Warte der SVP der einen oder anderen unliebsamen Stimme die Bühne nehmen. Ein rascheres Ende der Ausnahmesituation wird damit kaum erreicht. Im Gegenteil.