In der Krise holt die Schweiz die Wanderschuhe raus. Über die Auffahrtstage sind viele Touristen-Hotspots im Land von Ausflüglern fast schon überrannt worden. Auf dem grossen Mythen standen sich Aussichtshungrige auf den Füssen herum, wie Aufnahmen von Leserreportern zeigen. Es sind Bilder, über die sich die Schweizer Tourismusbranche freut – allerdings nur verhalten. Noch immer leidet gerade diese Branche stark unter den vom Bundesrat beschlossenen Corona-Massnahmen.
In Bern kam es deshalb heute erneut zu einem Krisentreffen. Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga (60), Wirtschaftsminister Guy Parmelin (60) und Gesundheitsminister Alain Berset (48) empfingen Spitzenvertreter von Gastronomie, Hotellerie und weiteren Tourismuszweigen heute Nachmittag zum zweiten Tourismusgipfel. Ein erstes Treffen hatte Ende April stattgefunden.
Veranstaltungen bis 100 Personen erlaubt?
Nicolo Paganini (53), Präsident des Schweizer Tourismus-Verbands, ist nach dem Gespräch mit dem Bundesrat guten Mutes. «Wir haben viel Hoffnung bekommen», sagt der St. Galler CVP-Nationalrat. Die nächsten Lockerungsschritte am 8. Juni könnten «recht weit gehen», sagt er. «Die Bundespräsidentin hat uns gesagt, dass man die Tourismusbranche nicht enttäuschen werde», berichtet er.
Konkret dürften in zwei Wochen wieder Seilbahnen fahren und Schiffe verkehren. Ein noch grösserer Schritt ist die Aufhebung des Versammlungsverbots, die wohl kommen dürfte. Die Rede ist davon, dass Veranstaltungen bis 100 Personen wieder erlaubt werden könnten. Noch ist allerdings nichts entschieden. Definitiv wird der Bundesrat erst kommenden Mittwoch festlegen, was am 8. Juni wieder alles möglich ist. Auch Zoos, botanische Gärten, Kinos und Theater dürften – wie geplant – zum Zug kommen.
Keine Hoffnung für Campingplatz-Besitzer
Schlecht sieht es derweil für Campingplatz-Besitzer aus. Sie fühlen sich vom Bundesrat übergangen. Während das Übernachten im Hotel erlaubt ist, ist das Schlafen im Zelt oder Wohnwagen weiterhin verboten, was den Vorwurf der Willkür lautwerden liess. Campingplatz-Besitzer hofften, das der Bundesrat den Missstand noch vor Pfingsten aufhebt und nicht erst in zwei Wochen. Doch die Regierung dürfte dem Wunsch, den die Branche heute nochmals beim Bundesrat deponierte, wohl nicht nachkommen. Entsprechende Signale sendete sie heute jedenfalls keine aus, wie Gesprächsteilnehmer berichten.
Optimistischer dürfen die Beizer sein. Zwar dürfen sie seit 11. Mai wieder Gäste bewirten – die Corona-Einschränkungen machen ihnen aber zu schaffen. Neun von zehn Beizern rechnen damit, dass sie es so nicht aus den roten Zahlen schaffen. Das zeigt eine Umfrage des Verbands Gastrosuisse, die SonntagsBlick vorliegt. Besonders zu schaffen macht den Restaurantbesitzern der geforderte Mindestabstand von zwei Metern und die Regel, dass nicht mehr als vier Personen an einem Tisch sitzen dürfen. Aber auch die wieder eingeführte Polizeistunde sorgt für grossen Unmut.
Gastro-Branche ist zuversichtlich
«Wir hatten eine sehr gute Diskussion», sagt Casimir Platzer (58), Präsident des Verbands Gastrosuisse, nach dem Gipfel. Die 4-Personen-Regel und die Polizeistunde dürften am 8. Juni wieder aufgehoben werden. Unwahrscheinlich hingegen ist, dass der Bund den Wirten beim Mindestabstand entgegenkommt. Schliesslich wäre es unglaubwürdig, würde der Bund plötzlich sagen – nach Monaten, in denen man den 2-Meter-Abstand predigte – dass in Restaurants bloss ein Meter Distanz ausreicht. Das sieht auch Platzer ein.
Die Tourismus-Vertreter machten dem Bundesrat aber nicht nur Druck, was die Taten anbelangt, sondern auch die Worte. «Bleiben Sie zu Hause!»: Dass dieser Appell nicht mehr gelte, müsse der Bundesrat der Bevölkerung klarmachen, sagt Andreas Züllig (61), Präsident von Hotelleriesuisse. Aus seiner Sicht hat der Bund das bisher zu wenig getan. Er fordert: «So, wie man das Runterfahren kommuniziert hat, muss man jetzt auch das Rauffahren kommunizieren.»