Krankenkassen sollen Reserven abbauen
So will Berset die Prämien senken

Die Krankenkassen haben hohe Reserven. Um die Prämien zu senken will der Bundesrat nun, dass sie diese abbauen. Zwingen kann er sie aber nicht.
Publiziert: 18.09.2020 um 15:02 Uhr
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Aktualisiert: 07.10.2020 um 12:04 Uhr
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Zu hohe Reserven: Gesundheitsminister Alain Berset will, dass die Krankenkassen ihre Reserven abbauen.
Foto: keystone-sda.ch

Die Krankenkassen sollen weniger Prämien auf Vorrat erheben. Der Bundesrat hat am Freitag eine Verordnungsänderung in die Vernehmlassung geschickt mit dem Ziel, übermässige Reserven abzubauen und die Praxis der Rückerstattungen einzudämmen.

Zwingen kann der Bundesrat die Krankenkassen nicht, es geht um einen freiwilligen Reserveabbau. Der Ball liegt bei den Versicherungen: Nutzen diese den zusätzlichen Spielraum, könnten die Prämien 2022 weniger stark steigen oder sogar sinken. Auf das konkrete Sparpotenzial geht der Bundesrat im Bericht zur Vorlage nicht ein.

Ungenaue Rechnungen

Hintergrund ist die Ungenauigkeit der Kostenberechnung. Die Prämien für das nächste Jahr werden jeweils auf Basis der Kosten des Vorjahres und der Hochrechnung für das laufende Jahre festgelegt. Weil es sich um eine Schätzung handelt, fallen die tatsächlichen Kosten regelmässig tiefer aus.

Nach dem Gesetz müssen die Prämien aber den Kosten entsprechen. Die Krankenkassen können die Überschüsse durch den Abbau von Reserven oder durch Rückerstattungen ausgleichen.

Nach Ansicht des Bundesrats sind die Reserven aktuell viel zu hoch und sollten abgebaut werden. Mit der Verordnungsänderung will er die Bedingungen dafür lockern: Heute muss eine Solvenzquote von 150 Prozent erfüllt sein, wobei die Solvenzquote das Verhältnis der vorhanden Reserve zu einem definierten Reserve-Minimum darstellt.

8 Milliarden auf der hohen Kante

Der Bundesrat will den Krankenkassen erlauben, die Reserven bis auf 100 Prozent zu senken. Damit könnten diese in einem sehr schlechten Jahr immer noch allen Verpflichtungen nachkommen. 2019 wiesen die meisten Krankenkassen Solvenzquoten von über 200 Prozent auf, in Einzelfällen sind es 400 Prozent und mehr. Auf den Konten der Krankenkassen lagen Reserven von rund 8 Milliarden Franken.

Auch wenn er kein Druckmittel hat, ist das Signal des Bundesrats deutlich: Wenn mehr Versicherer die Bedingungen für den Reserveabbau erfüllten, erhöhe sich der «Anreiz für Prämiensenkungen zugunsten der Versicherten», schreibt der Bundesrat im Bericht.

Heute werden Reserven abgebaut, indem den Versicherten ein Anteil davon auf der Prämienrechnung gutgeschrieben wird. Neu sollen die Krankenkassen stattdessen die Prämien knapp kalkulieren. Ein Ausgleichsbetrag soll nur dann ausgerichtet werden dürfen, wenn mit knappen Reserven nicht genügend Reserven abgebaut werden können. Der Abbau ist limitiert, weil der Bund nur kostendeckende Prämien genehmigen darf.

Fehlanreize im System

Die Krankenkassen müssen Überschüsse nicht den Reserven zuweisen, sie können diese den Versicherten auch direkt zurückerstatten. Bei dem Instrument ortet der Bundesrat Fehlanreize, indem die Krankenkassen Überschüsse zu kommerziellen Zwecken missbrauchen.

So sollten die Versicherer zum Beispiel nicht in gewissen Kantonen neue Versicherte gewinnen können, indem sie jedes Jahr Rückerstattungen für zu hohe Prämieneinnahmen in Aussicht stellen, heisst es im Bericht. Absicht des Gesetzgebers sei es nicht gewesen, ihnen ein neues Marketinginstrument zu geben. Um diese Praxis einzudämmen, legt der Bundesrat neue Regeln fest, ab welcher Schwelle die Prämieneinnahmen deutlich über den Kosten liegen.

Die Vernehmlassung dauert bis am 18. Dezember. Der Bundesrat will die Verordnungsänderung am 1. Juni 2021 in Kraft setzen, womit sie für die Prämien 2022 wirksam würde. (SDA)


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