Immer wieder werde gesagt, die Krankenversicherer hätten eine starke Lobby. «Aber das stimmt nicht – es sind die Ärzte und Spitäler», sagt Pius Zängerle (55), Direktor von Curafutura. Der dissidente Krankenversicherungsverband von CSS, Helsana, Sanitas und KPT liegt zusammen mit SP-Bundesrat Alain Berset (45) im Clinch mit den Medizinern.
Berset will nächstes Jahr mit Kürzungen bei den ambulanten Arzttarifen 700 Millionen Franken sparen. Die Ärzte laufen Sturm. Sie warnen, wie die Psychiater diese Woche, vor «lebensgefährlichen» Sparmassnahmen.
Curafutura unterstützt Berset und hat erstmals konkret berechnet, welche Auswirkungen die Massnahmen haben. Die Zahlen werden morgen Montag präsentiert, sie liegen SonntagsBlick bereits vor (siehe Tabelle). «Für die Prämienzahler bedeuten die Eingriffe gute Nachrichten», sagt Zängerle.
Am meisten bluten die Gastroenterologie
700 Millionen Franken Einsparungen sind laut Curafutura realistisch. Wenn der Bundesrat seinen angekündigten Eingriff sofort und vollständig umsetzte, würden die Gesundheitskosten 2018 deutlich weniger ansteigen als befürchtet. Zängerle geht von einer durchschnittlichen Erhöhung der Krankenkassenprämien von nur drei statt fünf Prozent aus. «Berset demonstriert Entschlossenheit gegen das ungebremste Kostenwachstum zulasten der Versicherungbeitragszahler», sagt er ehemalige Luzerner CVP-Kantonsrat.
Am meisten bluten die Gastroenterologen. Sie behandeln Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts, der Speiseröhre, der Leber, der Galle und der Bauchspeicheldrüse. Setzt sich Berset durch , gingen ihnen 18,4 Prozent ihrer Einnahmen flöten.
Auch die Radiologen und Schönheitschirurgen müssten kürzertreten. Sie kassierten 11,3 Prozent weniger. Zängerles Mitleid hält sich in Grenzen: «Angesichts der explodierenden Einnahmen der Spezialärzte in jüngster Zeit sind diese Einbussen gut zu verkraften. Insgesamt gesehen wird durch den Eingriff ein Zustand wie vor drei Jahren hergestellt.»
Der Hausarzt im Dorf wird etwas mehr verdienen
Tatsächlich konnten sich die Fachmediziner in den letzten Jahren nicht beklagen. Ein Beispiel: Der Umsatz der Psychiater nahm seit 2012 um 13 Prozent zu. Pro Patient macht das im Tarmed-Kapitel Psychiatrie sogar ein Plus von 19 Prozent aus. Die ärztlichen Leistungen in Abwesenheit im spitalambulanten Bereich stiegen gar um 70 Prozent! Das bedeutet, dass viele Ärzte hier Aufwendungen aufschrieben, die für Curafutura nicht oder nur schwer nachvollziehbar sind. Die Berset-Reform will auch hier klarere Regeln schaffen.
Umgekehrt ist auch klar: Der Hausarzt im Dorf hat nichts zu befürchten. Er wird künftig gar etwas mehr verdienen. Der 2014 eingeführte «Hausarztzuschlag» wird sogar noch einmal um sieben Prozent erhöht.
In den nächsten Wochen dürfte sich der Tarifstreit noch verschärfen. Die Ärzte werden hart fürs Geld kämpfen. Beobachter gehen davon aus, dass der Entscheid der Landesregierung im August fallen wird. wird.