Gerade erst gaben National- und Ständerat gibt grünes Licht: Kranke sollten künftig tiefer in die eigene Tasche greifen. Die Krankenkassen-Franchisen sollten automatisch der Kostenentwicklung angepasst werden – und damit steigen. Die Mindestfranchise von heute 300 Franken würde damit alle paar Jahre in 50-Franken-Schritten steigen.
Die SP hat bereits das Referendum angekündigt. Doch jetzt dürfte das Geschäft schon im Parlament Schiffbruch erleiden. Die SVP bekommt kalte Füsse und will die Vorlage in der Schlussabstimmung ablehnen.
«Prämienzahler nicht einseitig belasten»
Das bestätigt Fraktionschef Thomas Aeschi (40): «Wir lehnen diese Vorlage in der Schlussabstimmung ab. Das hat die Fraktion grossmehrheitlich beschlossen», sagt Aeschi zu BLICK.
In der Debatte hatte seine Partei das Geschäft noch unterstützt. Doch jetzt sagt Aeschi: «Man kann die Prämienzahler nicht einseitig für die steigenden Gesundheitskosten verantwortlich machen. Wir müssen die Kostenproblematik in einem Gesamtpaket lösen – auch die Pharmaindustrie, Krankenkassen, Ärzte, Spitäler und Kantone müssen ihren Beitrag leisten.»
Für ihn ist klar: «Die Franchisenerhöhung ist vorerst vom Tisch.» Denn auch SP und Grünen lehnen die Vorlage ab.
SP fordert Übungsabbruch
SP-Chef Christian Levrat drängt nun darauf, dass die auch übrigen Bürgerlichen dem Beispiel folgen: «Ich fordere die Bürgerlichen auf, die Übung abzubrechen. Sie haben offensichtlich keinen Plan in der Gesundheitspolitik.»
Er erinnert daran, dass der Nationalrat die Franchise auch schon auf 500 Franken erhöhen wollte und dann wieder zurückkrebste. «Jetzt das gleiche Hüst und Hott bei der Franchisenerhöhung, das ist nur noch peinlich. Die Rechten haben kein Rezept gegen die steigenden Prämien.»
Er sieht aber noch einen weiteren Grund für den SVP-Rückzieher: Das Wahljahr. «Die SVP hat Angst vor dem Volk», so Levrat. «Jetzt ändert sie offenbar in letzter Sekunde ihre Position bei den Franchisen, weil sie Angst vor einer Volksabstimmung hat.»
FDP kritisiert SVP-Rückzieher
Der SVP-Rückzieher kommt bei den andern Bürgerlichen nicht gut an: «Das ist eine grosse Enttäuschung», sagt FDP-Nationalrat Philippe Nantermod (34, VS). Die SVP habe das Projekt die ganze Zeit über unterstützt – bis jetzt. «Ich verstehe diese Angst vor den nationalen Wahlen nicht.»
Die Politik müssen bei der Krankenversicherung nun Massnahmen ergreifen. «Das erwarten die Bürger von uns», so Nantermod. «Und es gibt keine Massnahme, die zu 100 Prozent populär sein wird, wenn es sich um eine Begrenzung der Kostensteigerung handelt.»
Nicht alle SVPler sagen Nein
Doch auch in der SVP selbst kommt der Entscheid nicht überall gut an. «Die Fraktion ist gespalten», sagt SVP-Gesundheitspolitiker Heinz Brand (60, GR). Sachlich sei die Anpassung gerechtfertigt. Vor allem der Automatismus der Franchisenanpassung an die Kostenentwicklung sei wichtig.
«Es ist zwar nicht der Königsweg zur Dämpfung der starken Kostenentwicklung, denn es braucht noch viele weitere Massnahmen, aber es wäre immerhin ein erster Schritt.» Für Brand ist daher klar: «Ich werde der Vorlage zustimmen.»
CVP entscheidet am Freitag
Die SVP könnte nicht die einzige Partei bleiben, die einen Schwenker macht. Die CVP werde am Freitagmorgen entscheiden, wie sie stimmen werde, sagt CVP-Nationalrätin Ruth Humbel (61, AG). «Die Diskussionen bei uns laufen noch.»
Sie selbst hatte in der nationalrätlichen gesundheitskommission den Antrag gestellt, die Franchisen-Vorlage in das von SP-BUndesrat Alain Berset geplante Kostendämpfungspaket aufzunehmen, «damit alle – Spitäler, Ärzte, Pharmaindustrie und Versicherte – einen Beitrag an die Kostendämpfung leisten müssen». Leider sei dieser Antrag von der Kommission abgelehnt worden, bedauert Humbel.
Doch womöglich kommt gerade diese Option später wieder auf den Tisch. Diese Variante wird auch innerhalb der SVP diskutiert. Damit könnten die Stimmbürger aber nicht mehr alleine über die Franchisenerhöhung entscheiden – sondern nur über das Gesamtpaket.