Krach um Lohnschutz
Gewerkschaften schiessen sich auf Schneider-Ammann ein

Aussenminister Cassis stellte die Acht-Tage-Regel zur Diskussion, Wirtschaftsminister Schneider-Ammann muss nun mit den Gewerkschaften verhandeln. Diese signalisieren aber keine Bereitschaft und rügen die FDP-Bundesräte scharf.
Publiziert: 19.07.2018 um 13:03 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 19:31 Uhr
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Die FDP-Bundesräte Johann Schneider-Ammann (r.) und Ignazio Cassis müssen derzeit heftige Kritik von hochrangigen Gewerkschaftsvertretern hinnehmen.
Foto: Keystone
Julien Duc

Dieser Konflikt wird die politische Schweiz in den nächsten Wochen noch schwer beschäftigen: Es kracht im Gebälk zwischen den Gewerkschaften und den beiden freisinnigen Bundesräten. Nach Paul Rechsteiner (65, SP), Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds, schiesst nun auch Corrado Pardini (53, SP) von der Unia-Spitze scharf gegen Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann (66). Dieser sei vom Weg der Tugend abgekommen, poltert Pardini im «Tages-Anzeiger».

Beim Krach geht es um die flankierenden Massnahmen, die Schneider-Ammanns Parteikollege, Aussenminister Ignazio Cassis (57), im Ringen um ein Rahmenabkommen mit der EU zur Diskussion gestellt hat (BLICK berichtete). Ohne ein Entgegenkommen der Schweiz gebe es keine Weiterentwicklung des bilateralen Wegs, so Cassis.

Sakrosankte Acht-Tage-Regel

Spielraum sieht er vor allem bei der Acht-Tage-Regel, die der EU schon länger ein Dorn im Auge ist. Die Regel besagt, dass ein ausländisches Unternehmen, das in der Schweiz Aufträge annimmt, diese Einsätze acht Tage im Voraus bei den hiesigen Behörden anmelden muss. Diese Regel ist für die Gewerkschaften sakrosankt. Entsprechend gross war ihr Aufschrei.

Cassis wurde vom Bundesrat zwar inzwischen zurückgepfiffen. Die flankierenden Massnahmen würden gegenüber der EU nicht aufgegeben, so die Landesregierung. Dennoch will der Bundesrat über den Sommer ausloten, zu welchen Zugeständnissen die Gewerkschaften allenfalls bereit sind.

Rechsteiner spricht Wirtschaftsminister Glaubwürdigkeit ab

Diese Gespräche soll Schneider-Ammann führen und damit den Faux-pas von Cassis ausmerzen. Einfach wird das nicht. Denn Rechsteiner und Co. zeigen keinerlei Verhandlungsbereitschaft.

Im SonntagsBlick teilte Rechsteiner ordentlich aus. Er sprach Schneider-Ammann jegliche Glaubwürdigkeit ab und wolle ihm «Nachhilfeunterricht» erteilen. Nun doppelt Unia-Gewerkschafter Pardini nach. Cassis rügt er für seine «unqualifizierten Äusserungen» in einem Dossier, in dem er «vermutlich einfach keine Ahnung» habe.

Schneider-Ammann sei vom Weg der Tugend abgekommen

Schneider-Ammann, den Pardini stets als verlässlichen und fairen Sozialpartner schätzte, wirft er nun vor, genau von dieser Tugend abgekommen zu sein. Dessen Entourage habe «die flankierenden Massnahmen zur dogmatischen Frage erklärt, und Schneider-Ammann hat diese Sichtweise übernommen», poltert Pardini.

Der bürgerlichen Bundesrat lehne den Lohnschutz als protektionistisch und wirtschaftsfeindlich ab. Gemäss Pardini sind die Personenfreizügigkeit und die Flankierenden jedoch «siamesische Zwillinge»: «Der eine bringt der Schweiz Wohlstand, der andere federt die negativen Folgen ab. Trennt man sie, riskieren wir das Ende der Bilateralen und damit unseren Wohlstand», warnt er. Die Gewerkschaften würden keiner Lockerung der Acht-Tage-Regelung zustimmen.

Auch Arbeitgebervertreter sind skeptisch

Doch nicht nur von Arbeitnehmerseite, sondern auch von Arbeitgeberseite wird die mögliche Lockerung der Flankierenden nicht goutiert. Wenn Schneider-Ammann darauf hinweise, dass wirksame Kontrollen mit der fortschreitenden Digitalisierung keine acht Tage Vorlauf mehr bräuchten, winkt beispielsweise das Centre Patronal ab. Der Verband im Dienste der Westschweizer Arbeitgeber hält fest, dass wirksame Kontrollen in einer zu kurzen Frist nicht möglich sind.

Angesichts dieser zwei Fronten stehen Schneider-Ammann schwierige Wochen bevor.

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