Vor einem Jahr scheiterte der Angriff der grünen Wahlsieger auf den Sitz des freisinnigen Bundesrats Ignazio Cassis (59). Der heutige Mitte-Präsident Gerhard Pfister (58) lancierte daraufhin Begegnungen mit den anderen Parteichefs, um die Konkordanz neu zu verhandeln.
Dass diese Gespräche inzwischen abgerissen sind, liegt nicht an der Pandemie. Nach Terminen im März und im Sommer kam es zum Eklat: Weil die SVP den von ihr gewählten Bundesrichter Yves Donzallaz ungebührlich unter Druck setzte, liessen SP, FDP und die damalige CVP eine bereits geplante Aussprache in der Herbstsession platzen. Auch während der Wintersession im Dezember kam kein weiteres Treffen mehr zustande.
SVP und SP neu aufgestellt
Pfister verweist auf die neuen Präsidien von SVP und SP: «Die Bereitschaft dieser Parteispitzen für weitere Gespräche ist gegenwärtig noch offen», sagt der Zuger. Unter anderem wohl deshalb, weil er seine neuen Kollegen bisher nicht danach gefragt hat.
Die Parteien betonen, wie wichtig ihnen dieses Thema ist: «Wir stehen für eine Fortführung gerne zur Verfügung», sagt etwa GLP-Generalsekretär Michael Köpfli (37). Gleich tönt es bei der SP. In der Schweiz werde grundsätzlich zu wenig über die Institutionen gesprochen, so Co-Parteipräsident Cédric Wermuth (34).
Aber es fehlt die Basis für eine Einigung. Keine Partei wird freiwillig auf einen Sitz im Bundesrat verzichten. Zugleich ist der Status quo nach überliefertem Verständnis der Konkordanz nicht haltbar, sollten die Grünen ihre Stärke wahren. Unruhe ist vorprogrammiert, bereits gedeihen die Planspiele.
FDP und SVP noch in der Mehrheit
Planspiele gibt es bereits. Gegenüber dem «Tages-Anzeiger» stellte Tiana Angelina Moser (41, ZH), Fraktionspräsidentin der Grünliberalen, den zweiten Bundesratssitz der FDP infrage. Die SP sieht die Lage ähnlich. «Vier Bundesratssitze für FDP und SVP sind zu viel», so Wermuth. «Die rechtsbürgerliche Übervertretung wird spätestens zum Ende der laufenden Legislatur korrigiert. Sollte es vorher Vakanzen geben, gerne auch schon früher.»
Weiter sagt der Aargauer: «Zwei Dinge muss man aber im Kopf behalten, wenn die Zusammensetzung der Landesregierung zur Debatte steht: Die Wahlen 2023 entscheiden und nicht die momentanen Befindlichkeiten der Parteien.»
Andererseits dürfe man «die persönlichen Ambitionen mancher Parlamentarier nicht unterschätzen, die am Ende auch den raffiniertesten Absprachen einen Strich durch die Rechnung machen können», so Wermuth.
Wie sich der Bundesrat in Zukunft zusammensetzt, scheint derzeit offener denn je.