Die Schweiz ist stolz auf ihre vier Landessprachen. Die Vielsprachigkeit müsse aber besser genutzt werden, findet Nationalrätin Andrea Gmür-Schönenberger (54, CVP): «In der Schweiz sind wir grundsätzlich sehr sprachbegabt. Das Potenzial müssen wir aber besser ausschöpfen.»
Luft nach oben gebe es auch beim Englischen: «Holländer und Skandinavier etwa sprechen um Welten besser Englisch als wir.» Ein weltweites Ranking, der EF English Proficiency Index, bestätigt diese Aussage: Während die vier nordischen Länder Schweden (Platz 1), Norwegen (4), Dänemark (5) und Finnland (8) sowie Holland (2) allesamt unter den Top 10 zu finden sind, dümpelt die Schweiz auf Platz 15 herum.
«Synchronisationsland» Schweiz
Gmür-Schönenberger sieht einen Grund dafür darin, dass diese Länder Filme und Serien in Originalsprache und nicht synchronisiert ausstrahlen – im starken Kontrast zum «Synchronisationsland» Schweiz. Sie fordert deshalb in einer Motion, dass die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) sämtliche Eigenproduktionen in den vier Landessprachen und alle eingekauften englischen Fernsehproduktionen in der Regel in Originalsprache mit Untertiteln ausstrahlt.
Ihre Motion nimmt nicht nur den Action-Streifen zur Primetime oder die amerikanische Comedy-Soap am Nachmittag ins Visier, sondern auch «Tagesschau», «10vor10» und Co. «Ich ärgere mich, wenn ich in den Nachrichten zum Beispiel Bundespräsident Alain Berset höre und seine Aussagen auf Französisch übersprochen und auf Deutsch übersetzt werden.»
TV-Schauen als gratis Fremdsprachenunterricht
Die ehemalige Gymnasiallehrerin für Englisch und Französisch ist überzeugt, dass die Sprachensensibilität mit ihrer Motion gestärkt werde. «Kinder und Jugendliche sitzen schon in jungen Jahren vor dem TV-Gerät. Diese Zeit gilt es, sinnvoller zu nutzen – quasi als gratis Fremdsprachenunterricht.»
Gmür-Schönenberger habe auch ihren Schülern geraten, TV-Produktionen in Originalsprache zu konsumieren. «Es ersetzt zwar nicht einen Sprachaufenthalt, aber für das Sprachgefühl, Sprachverständnis, Intonation und die Aussprache ist es ein bewährtes Mittel.» Bessere Sprachkenntnisse würden das gegenseitige Verständnis und den kulturellen Zusammenhalt in der Schweiz stärken.
Selbst schaut die Motionärin kaum fern
Auf den Einwand, dass ihre Motion in Zeiten von Netflix nur einen kleinen Effekt habe, zumal auch nur die SRG betroffen wäre, entgegnet die Motionärin: «Die SRG hat klar auch einen Bildungsauftrag. Es wäre mal ein Anfang in der Schweiz. Wer weiss, vielleicht würden andere Sender dann nachziehen, zumindest was Englisch anbelangt.»
Ihr Vorstoss zielt aber nicht nur auf die Fremdsprachenfertigkeiten ab: «Die Ausstrahlung in der Originalsprache ist kostengünstig», behauptet die Luzernerin. Sie geht von Einsparungen aus, wenn ausländische Formate in der Originalsprache eingekauft werden und Eigenproduktionen lediglich untertitelt werden müssen. Den Zweikanalton, den SRF schon heute bei gewissen Formaten anbietet, brauche es dann nicht mehr.
SRG: Folgen noch nicht abschätzbar
Die Luzernerin rechnet mit Widerstand gegen ihre Motion. «Denn es ist schon eine Umstellung, die TV-Gewohnheiten zu ändern. Ich bin aber vom längerfristig positiven Effekt auf die Sprachanwendung überzeugt.» Selbst würde Gmür wohl nur selten von dem Paradigmenwechsel profitieren. «Ich muss gestehen: Ich schaue nur sehr selten fern.» Geht sie aber ins Kino, dann schaue sie den Film stets im Originalton.
Auf Anfrage teilt die SRG mit, dass die Folgen einer Annahme noch nicht abschätzbar seien. Ein Verzicht auf die Ausstrahlung der Synchronfassung reduziert die Lizenzkosten für eingekaufte Filme und Serien in der Regel aber nicht, sagt ein Sprecher. Und das Publikum habe schon heute die Wahlmöglichkeit, zwischen Originalversion, der Synchronfassung oder den Untertiteln zu wählen.