Während die neue Mitte-rechts-Regierung in Österreich das beschlossene Rauchverbot in Restaurants rückgängig machen will, schlägt der Bundesrat in der Schweiz eine ganz andere Richtung ein.
Am 8. Dezember schickte er das neue Tabakproduktegesetz in die Vernehmlassung (BLICK berichtete). Unter anderem legt die Landesregierung einen Fokus auf den Jugendschutz. So sieht der Vorschlag ein schweizweites Verkaufsverbot für Minderjährige und gewisse Werbeverbote vor.
Mit vier Motionen in die «Offensive»
Einigen Nationalräten ist das zu wenig. «Das neue Gesetz geht in Sachen Jugendschutz deutlich zu wenig weit. Wir müssen in die Offensive gehen», spricht die Berner Grüne Christine Häsler (54) Klartext. Deshalb reichten sie, CVP-Frau Viola Amherd (55), EVP-Mann Nik Gugger (47) und GLP-Kollege Thomas Weibel (63) zwischen dem 14. und 15. Dezember vier Motionen dazu ein.
Eine abgesprochene Aktion, wie Neo-Nationalrat Gugger bestätigt. Die Motionäre seien sich einig gewesen, mit den vier sich ergänzenden Motionen mehr Druck aufzusetzen: «Denn es geht um nichts Geringeres als den Jugendschutz.»
Perfide Tabakwerbung zwischen Süssigkeiten
Christine Häslers Motion fordert ein Werbeverbot für Tabakprodukte und E-Zigaretten an jenen Verkaufsstellen, zu deren Kundschaft auch Kinder und Jugendliche gehören. Also zum Beispiel an Kiosken. Es komme oft vor, dass in solchen Geschäften auf Augenhöhe von Kindern Werbung für Tabakprodukte gemacht werde. «Es ist doch perfide, wenn zwischen Süssigkeiten und Zeitschriften prominent für Zigaretten geworben wird», begründet Häsler ihren Vorstoss.
In ihrer Motion zitiert die Grünen-Politikerin Studien, die zeigen, dass 57 Prozent der Raucher als Minderjährige mit dem Tabakkonsum beginnen. «Das ist eindrücklich und erschreckend zu gleich. Es braucht mehr Prävention und einen besseren Jugendschutz», lautet ihr Urteil.
Offene Türen im digitalen Bereich
EVP-Mann Gugger hat es auf den digitalen Bereich abgesehen: «Der Bundesrat lässt dort den Tabakwerbern grosse Türen offen.» Konkret will Gugger Werbung in Print und Online-Produkten verbieten. «Gerade auf sozialen Medien und in Apps ist es ein Leichtes, Werbung für Zigaretten zu schalten», sagt Gugger, der lange im Jugend- und Sozialbereich gearbeitet hat.
Insbesondere die Tabakwerbung in Gratiszeitungen und -Magazinen ist ihm ein Dorn im Auge, weil diese bei Jugendlichen besonders beliebt seien. «Die Schweiz hat in diesem Bereich sehr liberale Gesetze.» Auch da gehe der Bundesrat im neuen Gesetz zu wenig konkret dagegen an.
Kinowerbung und Verkaufslizenzen
Amherd fordert, Zigarettenwerbung vor Kinofilmen zu verbieten, die auch für Minderjährige zugänglich sind. Weibel will derweil allen am Handel mit Tabakwaren beteiligten Akteuren den Erwerb einer Lizenz aufbürden. Das würde nicht nur die Anzahl der Vertriebsstellen beschränken, sondern auch die Kontrollen erleichtern.
Bürgerlicher Widerstand vorprogrammiert
Der Widerstand der Tabakindustrie und von bürgerlicher Seite gegen verschärfte Auflagen – sowohl durch das geplante Gesetz und erst recht durch die vier Motionen – ist programmiert. Denn bereits vor einem Jahr scheiterte der Bundesrat mit geplanten Einschränkungen der Werbung im Kino oder auf Plakaten. Bürgerliche Parlamentarier warnten damals vor einem «Angriff auf die freie Marktwirtschaft» und vor der «Bevormundung von Erwachsenen».
Dass es ein harter Kampf wird, will Häsler gar nicht bestreiten. Schliesslich gehe es um viel Geld. Gugger gibt sich allerdings hoffnungsvoll. Die Motionen seien in der Mitte breit abgestützt.