Alles darauf hin, dass von den grossen Parteien nur SVP die Milchkuh-Initiative der Autolobby (siehe unten) unterstützt. Hans-Ulrich Bigler (58) ist Mitinitiant des der Vorlage. Obwohl die FDP am Samstag die Nein-Parole beschlossen hat, will der Zürcher FDP-Nationalrat und Direktor des Gewerbeverbandes weiter entschlossen für die Vorlage kämpfen.
Einer der vehementesten Gegner der Milchkuh-Initiative ist der Finanzpolitiker und Luzerner CVP-Ständerat Konrad Graber (57). Auf dem Bundesplatz kreuzte er mit Bigler die Klingen.
SonntagsBlick: Herr Graber, wann haben Sie zum letzten Mal eine Kuh gemolken?
Konrad Graber: Etwa vor drei Jahren an der Luga in Luzern – das war aber keine Plastikkuh wie die hier.
Dann wissen Sie ja auch, wie man Autofahrer melkt.
Graber: Nicht wir melken die Autofahrer, sondern die Initianten melken den Bund! Die Automobilverbände wollen die Mineralölsteuer zweckentfremden. Es geht um 1,5 Milliarden Franken, die dem Bund gehören. Das ist ein Raubzug auf die Bundeskasse.
Hans-Ulrich Bigler: Das Geld gehört nicht dem Bund, sondern den Autofahrern. Weil ein grosser Teil der Strassengelder in der allgemeinen Bundeskasse versickert, können anstehende Verkehrsprojekte nicht realisiert werden. Ich denke dabei an den Arc lémanique in der Westschweiz, die Agglomeration Luzern oder die Zürcher Oberland-Autobahn.
Sind Sie ein Strassenverhinderer, einer, der Autofahrer gern im Stau stecken lässt, Herr Graber?
Graber: Nein. Stau ist ein volkswirtschaftliches Problem, deshalb habe ich ein Interesse daran, dass der Verkehr rollt. Doch die 1,5 Milliarden könnten wir derzeit gar nicht für die Strasse ausgeben, weil es nicht genügend baureife Projekte gibt. Um sie voranzutreiben, müssten wir die Bundes- und Kantonsverwaltung ausbauen.
Bigler: Wenn zu viel Geld vorhanden ist, können wir ja die Mineralölsteuer reduzieren und die Steuerzahler entlasten! Die Strasse generiert pro Jahr über neun Milliarden Franken Steuern. Wir wollen nur, dass dieses Geld der Strasse zugutekommt. Die Bahn erhält mehr Gelder, fairerweise müssen wir auch die dringenden Projekte der Strasse angehen.
Graber: Du sprichts von einer fairen Verkehrsfinanzierung. Aus meiner Sicht ist es aber eine unfaire, eine Verkehrt-Finanzierung! Ein Teil der Mineralölsteuer ist schon immer in die Bundeskasse geflossen – wie jede andere Steuer.
Bigler: Dass es so bleiben soll, weil es immer so war, ist ein schwaches Argument! Drei Viertel des Verkehrs – zum grossen Teil auch der ÖV – laufen auf der Strasse ab, dem müssen wir Rechnung tragen. Heute haben wir eine Ungleichbehandlung der Verkehrsnutzer. Dir würde es doch nie einfallen, vom Bahnbenutzer eine Bahnsteuer zu verlangen!
Bei einem Ja fehlen der Bundeskasse jährlich 1,5 Milliarden Franken. Wie würde die Lücke gefüllt?
Graber: Der Bundesrat zeigt klar auf, wo wir sparen müssten: Etwa 200 Millionen Franken in der Landwirtschaft, 250 Millionen bei der Armee, 350 Millionen in Bildung und Forschung oder 250 Millionen beim Verkehr, besonders beim Regionalverkehr usw. Deshalb sind ja auch alle 26 Kantone dagegen.
Bigler: Das ist der typische Gemeindeversammlungstrick des Bundesrats! Wer in einer Gemeinde nicht sparen will, droht einfach überall mit Abbau. Wegen der Sparandrohung bei der Landwirtschaft hat der Bauernverband aus lauter Angst vor weniger Subventionen die Nein-Parole beschlossen.
Wie und wo wollen Sie denn die 1,5 Milliarden einsparen?
Bigler: Erstens bei den Kosten für Bundespersonal und externe Beratungen. Da gab es ein massives Wachstum. Zweitens bei Informatikprojekten. Da wurden in den letzten Jahren Hunderte Millionen in den Sand gesetzt. Drittens darf man beim Bundesbudget nicht automatisch eine Teuerung aufrechnen, die es nicht gibt. Da wäre noch viel Spielraum, ohne dass es irgendjemanden schmerzt!
Herr Graber, bei einem Budget von aktuell 67 Milliarden, das in den nächsten Jahren auf 75 Milliarden steigen soll, sind 1,5 Milliarden doch ein Klacks.
Graber: Kleinvieh macht auch Mist! Der Bundesrat hat ein Sparprogramm für eine Milliarde aufgegleist und die Unternehmenssteuerreform III kostet den Bund gut 1,5 Milliarden Franken. Da können wir uns die Milchkuh nicht auch noch leisten. Herr Bigler muss sich zwischen seiner Initiative und Steuersenkungen für die Wirtschaft entscheiden.
Bigler: Es ist völlig falsch, das eine gegen das andere auszuspielen! Es geht jetzt um die faire Verkehrsfinanzierung und um eine moderne und sichere Strasseninfrastruktur. Der neue Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds (NAF) ist aufgegleist; er bringt der Strasse rund 700 Millionen Franken mehr. Die Initiative hat ihr Ziel erreicht.
Bigler: Der NAF ist eine Wundertüte. Wir wissen nicht, wie er am Ende ausgestaltet wird. Absolut stossend ist die darin vorgesehene Benzinpreiserhöhung von vier Rappen. Der Autofahrer wird noch weiter geschröpft!
Graber: Der Mineralölsteuerzuschlag wurde seit Jahrzehnten nicht mehr erhöht.
Bigler: Weil der Strassenverkehr seine Kosten deckt.
Herr Graber, Sie warnen vor einem Raubzug auf die Bundeskasse. Die jetzige NAF-Lösung kostet den Bund nicht weniger als 700 Millionen!
Graber: Wir sind den Initianten mit einer NAF-Luxusvariante sehr weit entgegengekommen. Das wird nicht spurlos an uns vorübergehen. Der Unterschied zur Initiative aber ist, dass der NAF erst ab 2018 und später wirksam wird. Mit der Milchkuh-Initiative wird die Bundeskasse per sofort geplündert.
Bigler: Hör auf, von Plünderung zu reden! Das Geld gehört den Bürgern, und es muss treuhänderisch am richtigen Ort eingesetzt werden.
Herr Bigler, wie reagieren Sie, wenn es am 5. Juni ein Nein gibt? Sind Sie dann trotzdem für den NAF und schwenken auf die Parlamentslinie um?
Bigler: Darüber will ich nicht spekulieren. Ich will gewinnen.
Graber: Eigentlich müsstest du ja dagegen sein. Einer Wundertüte kannst du ja nicht zustimmen.
Bigler: Ja, es ist eine Wundertüte. Wer weiss, auf welche Ideen die Politiker noch kommen, wenn es ein Nein geben würde. Plötzlich wird nicht nur das Benzin, sondern auch die Autobahnvignette teurer.
Graber: Ich stehe zu meinem Wort. Auch bei einen Nein werde ich die Vorlage, wie heute verabschiedet, im Ständerat vertreten.
Am 5. Juni stimmt das Volk über die Milchkuh-Initiative ab. Sie fordert, dass die Einnahmen des Bundes aus dem Strassenverkehr – rund drei Milliarden Franken – ausnahmslos in Strassenprojekte fliessen. Bisher ist es nur die Hälfte. Lanciert hat die Vorlage Auto-Schweiz, der Verband der Auto-Importeure.
Am 5. Juni stimmt das Volk über die Milchkuh-Initiative ab. Sie fordert, dass die Einnahmen des Bundes aus dem Strassenverkehr – rund drei Milliarden Franken – ausnahmslos in Strassenprojekte fliessen. Bisher ist es nur die Hälfte. Lanciert hat die Vorlage Auto-Schweiz, der Verband der Auto-Importeure.