Flexiblere Sitzungen, kürzere Fristen, stärkeres Führungsorgan: Das Parlament will sich nach den schlechten Erfahrungen zu Beginn der Corona-Pandemie für künftige Krisensituationen rüsten. Dabei sollen die bestehenden Instrumente wirkungsvoller eingesetzt werden.
Die Pandemie habe grosse Defizite offengelegt, was die Handlungsfähigkeit des Parlaments in Krisen betreffe, sagte der Tessiner Mitte-Politiker Marco Romano, Präsident der Staatspolitischen Kommission des Nationalrats (SPK-N), am Freitag vor den Medien in Bern. «Wir hatten keine Möglichkeit, schnell zu reagieren.»
Jederzeit tagen, flexibler reagieren
Das soll sich in Zukunft ändern. Die SPK-N hat einstimmig verschiedene Änderungen des Parlamentsrechts verabschiedet, wonach die Bundesversammlung jederzeit tagen und ihr rechtliches Instrumentarium flexibler einsetzen können soll. Zuvor hatte auch die zuständige Ständeratskommission grünes Licht gegeben für die Vorlage.
Stimmen die Räte den Gesetzesänderungen zu, kann das Parlament bei künftigen Pandemien, Naturkatastrophen und sonstigen Krisenereignissen schneller handeln. Zur Erinnerung: Im März 2020 war die Handlungsfähigkeit der Bundesversammlung kurzzeitig eingeschränkt. Die Frühjahrsession wurde abgebrochen, Kommissionssitzungen wurden während Wochen ausgesetzt.
Notrecht mit Hindernissen
Zwar soll der Bundesrat auch künftig vorübergehend per Notrecht regieren können. Das Parlament soll aber «jederzeit seinen Einfluss und seine Rechte geltend machen» können, wie es Romano ausdrückte. Eine eigens eingesetzte Subkommission unter dem Zürcher SVP-Nationalrat Gregor Rutz hat in den vergangenen Monaten verschiedene Verbesserungsmöglichkeiten analysiert.
Beispielsweise sollen die Räte in Krisenzeiten rascher zusammentreten, um Entscheide fällen zu können. Eine ausserordentliche Session, die von einem Viertel der Mitglieder eines Rats oder vom Bundesrat verlangt werden kann, könnte laut SPK-N-Kommissionssekretärin Ruth Lüthi Blume in Zukunft innerhalb von ein paar Tagen stattfinden. Im Frühjahr 2020 dauerte das rund sieben Wochen.
Virtuelle Sitzungen sollen möglich sein
Die Vorlage soll auch die rechtlichen Voraussetzungen schaffen, sodass die Räte und die Kommissionen «als letzte Ausweichmöglichkeit» auch virtuell tagen können, wenn ein physisches Zusammenkommen verunmöglicht ist. Zur Verfassungsmässigkeit dieses Vorschlags sagte Rutz, dass diese Massnahme gemäss einem Gutachten «durchaus im Rahmen der geltenden Verfassungsbestimmungen» umgesetzt werden könne. Romano ergänzte, dass der Weg nicht in Richtung komplett digitales Parlament führen solle. Es gehe nur um absolute Ausnahmefälle.
Ebenfalls möglich sein soll das Tagen an einem anderen Ort als in Bern. Die ausserordentliche Session statt in der Bernexpo in Luzern durchzuführen war im Frühjahr 2020 zwar geprüft, aber wegen fehlender gesetzlicher Grundlagen verworfen worden.
Fristen kürzen
Weiter sollen die parlamentarischen Instrumente wie die Motion und die parlamentarische Initiative unter bestimmten Voraussetzungen rascher eingesetzt werden können, indem bestimmte Fristen verkürzt werden. Die heutige Verwaltungsdelegation - die oberste Leitung der Parlamentsverwaltung - soll durch eine Verwaltungskommission ersetzt werden, deren Mitglieder für vier Jahre gewählt sind und nicht gleichzeitig den Ratsbüros angehören. «Es braucht mehr Kontinuität», sagte Romano.
Schliesslich soll der Bundesrat Entwürfe für sogenannte «Notverordnungen» den parlamentarischen Kommissionen immer zur Konsultation vorlegen müssen, damit diese eine Stellungnahme abgeben können. Nichts wissen will die SPK-N dagegen von einer richterlichen Kontrolle von Notrecht, auch abstrakte Normenkontrolle genannt. «Das würde das Parlament schwächen», sagte Rutz dazu. Zudem gebe es bereits heute ein Korrektiv durch das Referendum.
Auch in Zusammenhang mit der Covid-Krise hat die Kommission einstimmig eine Motion eingereicht, wonach im Epidemiengesetz eine gesetzliche Grundlage geschaffen werden soll, sodass Personen und Unternehmen, die in ihren Geschäftsbetrieb aufgrund behördlicher Massnahmen schliessen oder einschränken müssen, entschädigt werden. «Wenn der Eingriff eine gewisse Dauer und der Schaden eine gewisse Schwere hat, muss der Staat entschädigungspflichtig sein», sagte Rutz.
Die Vorlage geht nun zur Stellungnahme an den Bundesrat und soll in der Frühjahrsession im Nationalrat behandelt werden.
(SDA/gbl)