Vier Wochen vor der Abstimmung über die Familien-Initiative greift die CVP Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf (58) an. Parteipräsident Christophe Darbellay (43): «Sie schummelt.»
Grund für die Wut der Mittepartei ist das Abstimmungsbüchlein, das dieser Tage in den Briefkästen liegt. Darin versucht der Bundesrat zu beweisen, dass Familien mit kleinen Einkommen nicht von der Vorlage profitieren würden. Die CVP verlangt mit ihrer Initiative, dass Kinderzulagen künftig steuerfrei sind.
Widmer-Schlumpf geht im Abstimmungsbüchlein von einem Ehepaar mit zwei Kindern als Rechenbeispiel aus. Das Paar verdient brutto 50 000 Franken pro Jahr (ca. 3850 Franken pro Monat plus 13. Monatslohn). Von einem Ja zur Initiative würde eine solche Familie nicht profitieren.
«Das Beispiel ist ein Witz!», nervt sich Darbellay. Vierköpfige Familien mit einem Bruttolohn von weniger als 4000 Franken pro Monat seien schon heute von den Steuern befreit. Und das sei gut so. «Wer aber keine Steuern bezahlt, kann auch nicht entlastet werden – logisch.» Der CVP-Chef sagt empört: «Das ist eine Milchbüechli-Rechnung!»
Im Abstimmungsbüchlein sucht die sonst eng mit der CVP verbandelte Bundesrätin zudem aufzuzeigen, dass bei einer Annahme der Initiative vor allem Gutverdiener finanzielle Vorteile hätten. Als Beispiel nennt sie eine Familie mit 200000 Franken Bruttolohn. Auch das ärgert Darbellay: Nur vier Prozent aller Kinder lebten in Haushalten mit derart hohem Einkommen.
In seinen Beispielen geht der Bundesrat davon aus, dass die Familien für die ganze Zeit, in der sie Kinderzulagen kassieren, vom steuerbaren Einkommen 10100 Franken pro Jahr für externe Betreuung abziehen. Darbellay sieht darin eine weitere Mogelei: «Kinder gehen bis zum vierten Lebensjahr in die Kita – und nicht bis 25!»
Juristisch will und kann Darbellay gegen die Abstimmungsunterlagen nicht vorgehen. «Die Zahlen sind nicht per se falsch, man hat sie aber offenbar bewusst zurechtgebogen, bis eine Aussage gegen unsere Initiative gemacht werden konnte», ärgert sich der CVP-Mann. «Wir sind enttäuscht, dass das Departement nicht repräsentative Zahlen bietet.»
Das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) hingegen betont, dass man in den Unterlagen die Wirkung der Initiative auf Kleinverdiener-Haushalte sichtbar machen müsse.
Auch den Vorwurf der CVP, die familienexternen Betreuungskosten seien im Abstimmungsbüchlein falsch angesetzt, kontert EFD-Sprecher Jean-Michel Treyvaud: Fakt sei, dass der Abzug bis zum 14. Geburtstag eines fremdbetreuten Kindes beansprucht werden könne. Das EFD nimmt Bruttolöhne als Ausgangslage für die Berechnungen, die Ini-
tianten das steuerbare Einkommen. Mit den gleichen Zahlen suggeriere das Initiativkomitee also viel tiefere als die tatsächlichen Einkommen, sagt Treyvaud.
Am nächsten Freitag trifft Darbellay in der «Arena» auf Widmer-Schlumpf – und kann sie zum Zahlenstreit herausfordern.