Kaum gewählt, schon hat FDP-Präsidentin Petra Gössi eine Knacknuss zu bewältigen. Denn sie sitzt sie im Pro-Komitee der Milchkuh-Initiative («Für eine faire Verkehrsfinanzierung») – als Parteipräsidentin muss sie nun aber eine andere Haltung vertreten.
Denn die FDP will nicht, dass die Erträge aus der Mineralölsteuer – 1,5 Milliarden Franken im Jahr – nur für die Strasse verwendet werden. Die Delegierten im Hotel National in Bern sprachen sich mit 210 zu 137 Stimmen gegen die Milchkuh-Initiative aus. Die Argumente von Befürworterin Doris Fiala vermochten ebenso wenig zu überzeugen wie jene vom Präsident der Jungfreisinnigen, Andri Silberschmidt, der eindringlich für diese «urliberale Vorlage» warb. Die Zürcher Nationalrätin Fiala hatte darauf hingewiesen, dass auf Schweizer Strassen 21'000 Stunden Stau zwei Milliarden Franken Kosten verursachen und die Wirtschaft eine intakte Verkehrsinfrastruktur braucht.
Die Delegierten wollen jedoch offenbar nicht, dass der Bund massive Sparmassnahmen, etwa bei der Bildung und bei der Landwirtschaft, ergreifen muss. Denn das wäre die Folge, wenn die Initiative angenommen wird, wie der Waadtländer Nationalrat Olivier Français sagte. Der Nidwaldner Ständerat Hans Wicki warnte zudem davor, die Architektur der Verkehrsfinanzierung zu zerstören. Dagegen kam auch Gewerbedirektor Hans-Ulrich Bigler nicht an, der auf die zahlreichen möglichen Einsparposten in der Bundesverwaltung hinwies.
Das «linke Schreckgespenst» Leuenberger zieht noch
Matchentscheidend war das Votum des jungen Walliser Nationalrats Philippe Nantermod, der davor warnte, es alt Bundesrat Moritz Leuenberger gleichzutun und den Krieg der Strasse gegen die Schiene auszurufen. Der SP-Politiker taugt also immer noch als Schreckgespenst für die Liberalen.
Mit diesem Entscheid der FDP startet Petra Gössi mit Schwierigkeiten in ihr Amt als Parteipräsidentin. Nun muss sie als Mitglied des Initiativkomitees öffentlich für ein Nein eintreten. «Das gehört zum Amt dazu», sagte sie unlängst zu BLICK und kündigte dabei an, am 5. Juni ein Ja in die Urne zu legen.
«Nur FDP verteidigt Erfolgsmodell Schweiz»
Bei ihrer Wahl zur FDP-Präsidentin spielte ihre Einstellung zu Milchkuh-Initiative keine Rolle. Mit 337 Stimmen wählte sie die Delegierten zur neuen Präsidentin – ohne eine einzige Gegenstimme.
Freiheit und Eigenverantwortung hätten immer die Konsequenz, dass man die Komfortzone verlassen müsse, sagte sie. «Es ist bequemer, immer nach dem Staat zu rufen.» Die FDP sei die einzige Partei, die das Erfolgsmodell Schweiz verteidige, welches von sozialistischen und konservativen Kräften zunehmend in Frage gestellte werde.
Die Wahl von Gössi war nur noch eine Formsache: Sie war die einzige Kandidatin. Nationalrat Christian Wasserfallen (BE) und Ständerat Hans Wicki (NW) hatten sich eine Kandidatur überlegt, entschieden sich aber dagegen.
Das neu besetzte Präsidium übernimmt eine Partei in einem guten Zustand. Bei den nationalen Wahlen im letzten Jahr gewann die FDP Wähleranteile dazu. Der Aufwärtstrend setzte sich auch bei diversen kantonalen Wahlen seither fort. (Mitarbeit: SDA)