Die Klimajugend kann nicht auf die Strasse, trotzdem macht sie politisch Druck: Sie fordert das Stimmrechtsalter 16. Die in einer Interessengemeinschaft organisierten Jugendlichen verlangen mehr Mitsprache – und drohen bereits mit einer Volksinitiative.
Doch so weit muss es gar nicht kommen. Denn im Parlament ist das Stimmrechtsalter 16 bereits aufgegleist. Grünen-Nationalrätin Sibel Arslan (39, BS) hat vor einem Jahr einen entsprechenden Vorstoss eingereicht. Die Jungen sollen vorerst nur das aktive Stimm- und Wahlrecht erhalten. Das heisst: Sie können an der Urne mitbestimmen, aber selber noch nicht in ein Amt gewählt werden.
Vorstoss auf der Kippe
Eine Vorentscheidung fällt bereits am Donnerstag. Dann beurteilt die Staatspolitische Kommission des Nationalrats den Vorstoss. Dieser steht auf der Kippe: Von den 25 Kommissionsmitgliedern stellen sich elf Nationalräte aus SP, Grünen, GLP und EVP offen hinter die Idee. Es braucht also noch mindestens zwei Stimmen aus SVP, FDP oder CVP, um die Mehrheit zu sichern.
Eine davon könnte von FDP-Nationalrätin Doris Fiala (63, ZH) kommen, welche Nationalratspräsidentin Isabelle Moret (49) in der Kommission vertritt. «Ich habe unglaublich gute Erfahrungen mit politisch interessierten Jugendlichen gemacht. Ich habe keine Zweifel daran, dass sich die Jugendlichen mit ebenso grossem – oder auch kleinem – Eifer politisch engagieren wie meine Generation», so Fiala zu BLICK. «Ich habe grosse Sympathien für das Stimmrechtsalter 16.»
Für Skepsis sorgt bei ihr nur, dass man die sonstigen Rechte erst mit 18 erhält. «Bevor ich definitiv entscheide, will ich mit meinen Kollegen eine seriöse Debatte führen», sagt Fiala. «Ich gehöre aber sicher nicht zu den Bedenkenträgern.»
CVP-Stadler weibelt bei Fraktionskollegen
Im bürgerlichen Lager gibt es auch weitere Stimmen, die dem Stimmrechtsalter 16 positiv gegenüber stehen. BDP-Chef Martin Landolt (51, GL) und FDP-Nationalrätin Christa Markwalder (44, BE) haben den Vorstoss mitunterzeichnet. Auch der Zürcher FDP-Ständerat Ruedi Noser (59) steht hinter der Idee, ebenso der Urner CVP-Nationalrat Simon Stadler (32). Die Krux: Sie alle sitzen nicht in der Staatspolitischen Kommission.
Stadler geht nun aber bei seinen Fraktionskollegen Klinken putzen. In einer Mail an die Kommissionsmitglieder der CVP macht er sich für den Vorstoss stark. «Die Jungen übernehmen nicht nur in der Corona-Krise Verantwortung in unserer Gesellschaft», sagt Stadler. «Sie sind auch Trainer oder Leiter in Vereinen und erhalten das Vertrauen der Eltern, zum Beispiel für das Betreuen der Kinder im Sommerlager.» Er selbst habe als Junger viel Vertrauen erhalten, jetzt sollten die heutigen Jugendlichen ebenfalls eine Chance erhalten, sich für ihre Zukunft zu engagieren.
Candinas: «Nicht auf Bundesebene regeln»
Ob es etwas nützt? CVP-Nationalrat Martin Candinas (39, GR), der Parteichef Gerhard Pfister (57) in der Kommission vertritt, winkt ab: «Ich werde dem Vorstoss nicht zustimmen.» Er will die Frage den Kantonen überlassen. «Wir müssen diese Frage nicht auf Bundesebene regeln», sagt Candinas.
Dabei hatte er vor zehn Jahren noch selbst mit der Jungen CVP für eine kantonale Volksinitiative Unterschriften gesammelt, welche das Stimmrechtsalter 16 forderte. Seite an Seite mit der Juso. Nur: «Die Reaktionen auf der Strasse waren derart negativ, wir haben die Initiative nicht einmal zustande gebracht.»
Auch bei CVP-Nationalrat Marco Romano (37, TI) beisst Stadler auf Granit. «Das politische Interesse hängt nicht vom Stimmrechtsalter ab», begründet er sein Nein. Stimmrechtsalter 16 kommt für ihn nur in Frage, wenn zuerst mehrere Kantone positive Erfahrungen damit gemacht haben – und wenn das Alter auch in anderen staatlich-gesellschaftlichen Bereichen wie Autofahren, Strafrecht, Mündigkeit, usw. entsprechend angepasst würde.
GLP-Gredig hofft auf Bewegung
GLP-Nationalrätin und SPK-Mitglied Corina Gredig (32, ZH) hofft trotzdem noch auf Bewegung in der politischen Mitte. «Interessanterweise gehen die Landkantone in dieser Frage voraus: Glarus kennt das Stimmrechtsalter 16 schon länger, und jüngst hat sich der Urner Landrat grossmehrheitlich dafür ausgesprochen», sagt sie.
Angesichts der Corona-Krise bringt sie ein weiteres Argument ein: «Viele Junge habe sich solidarisch mit der älteren Generation gezeigt – etwa in der Nachbarschaftshilfe, indem sie Einkäufe für Senioren erledigt haben. Das Stimmrechtsalter 16 wäre daher ein schönes Zeichen an die Jugend.»