Die Untersuchung solle zeigen, wo und wie häufig Missbrauch geschieht, sagte Rita Famos, Präsidentin der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz (EKS), in einem zuerst online publizierten Interview mit der «NZZ am Sonntag».
Die Studie soll nicht nur hinter die Kirchenmauern schauen. Die reformierte Kirche hofft, dass die Resultate auch anderen Institutionen helfen wird, gegen sexuellen Missbrauch vorzugehen, wie die EKS-Präsidentin sagte. Es gehe auch um Missbrauch in Familien, Sportverbänden und Schulen. «Es kann nicht sein, dass man sich zurücklehnt und auf Sündenböcke wie zum Beispiel die katholische Kirche zeigt», sagte Famos.
«Damit Täter nicht einfach durchmarschieren können»
Missbrauch sei ein gesamtgesellschaftliches Problem. Die EKS wolle einen Beitrag leisten, dass Täterprofile und Tatkontexte eruiert werden können. «Damit Täter nicht einfach durchmarschieren können», sagte die Präsidentin.
Eine separate Umfrage soll die Betroffenen im reformierten Umfeld ansprechen. «Wir wollen wissen: Wo und wie geschahen die Übergriffe, und was hat die Aufdeckung der Taten verhindert», sagte Famos.
«In der reformierten Kirche hatten wir lange das Gefühl, dass uns das Thema nicht stärker betrifft als den Rest der Gesellschaft», so Famos weiter. Die Studie der reformierten Kirche Deutschlands habe der EKS die Augen geöffnet. Die im Januar veröffentlichte Untersuchung zu sexualisierter Gewalt dokumentierte für die vergangenen Jahrzehnte mindestens 1259 Beschuldigte.
Studie kostet 1,6 Millionen Franken
Seit Anfang Jahr höre Famos fast wöchentlich Geschichten von Betroffenen. «Es sind gravierende Fälle, da sprechen wir von Vergewaltigung und Nötigung», sagte sie. Die Betroffenen würden ihre Erlebnisse erzählen, weil sie zeigen wollen, dass auch die reformierte Kirche ein Problem mit Übergriffen habe.
Im Gegensatz zur katholischen Kirche in der Schweiz und der Evangelischen Kirche Deutschland will die EKS nicht Akten durchleuchten, sondern eine Umfrage durchführen. Dies liege am föderalistischen Aufbau der Kirche, sagte Famos. Eine Aufarbeitung von Akten wäre viel komplexer als bei den Katholiken, sagte sie.
Die Studie kostet voraussichtlich 1,6 Millionen Franken, wie aus dem Interview hervorging. Resultate sollen demnach Ende 2027 vorliegen. Das Kirchenparlament, die Synode, wird im Juni über den Antrag befinden. (SDA)