Kinderkrippen dürfen einziehen, Muslime nicht
Reformierte und Katholiken haben zu viele Kirchen – jetzt suchen sie neue Verwendung für die Gebäude

Katholiken und Reformierte besitzen zu viele und zu teure Gebäude. Nun überlegen sie sich neue Nutzungen. Für die Bischofskonferenz ist klar: Kinderkrippe ist okay, Muslime in der Kirche gehen dagegen nicht.
Publiziert: 18.02.2025 um 09:34 Uhr
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Aktualisiert: 18.02.2025 um 09:57 Uhr
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In wenigen Wochen wird die christkatholische Kirche in Hägendorf SO abgerissen.
Foto: zVg

Auf einen Blick

  • Schweizer Kirchen werden abgerissen oder umgenutzt aufgrund sinkender Mitgliederzahlen
  • Kreative Lösungen: Kirchen werden zu Wohnungen, Pubs oder Kletterhallen umfunktioniert
  • 220 Kirchen in der Schweiz bereits verkauft, anders genutzt oder abgerissen
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Lucien FluriCo-Ressortleiter Politik

Der Abriss ist schon bewilligt, in wenigen Wochen werden die Bagger auffahren. Dann wird die Christuskirche in Hägendorf SO nach 87 Jahren dem Erdboden gleichgemacht. Monique Rudolf von Rohr (69) und insbesondere der zuständige Pfarrer bereiten gerade eine Entweihungszeremonie vor. «Wir nehmen Abschied, fast wie an einer Beerdigung», sagt die Präsidentin der christkatholischen Kirchgemeinde Region Olten.

Wehmut ist zu spüren, das Ende des Gotteshauses ist für die Oltnerin auch ein Sinnbild für eine immer kleiner werdende Kirchgemeinschaft. «Wir können zuschauen, wie etwas verschwindet», sagt sie. Aber die Kirche habe sich nun einmal nicht mehr halten lassen. «Die Risse waren riesig. Man konnte durchschauen ins Freie.» Geld für die Sanierung fehlte.

Wenige Gläubige, viele Heizkosten

Das Schicksal der Kirche in Hägendorf ist nur eines von vielen Beispielen: Gegen 220 Kirchen sind in der Schweiz bereits verkauft, anders genutzt oder gar abgerissen worden. Das zeigt die Datenbank Kirchenumnutzungen der Universität Bern. Und so dürfte es weiter gehen: Die Zahl der Kirchenaustritte steigt, die Gotteshäuser leeren sich. Die Kirchen und Pfarrhäuser sind oft zu gross und zu teuer geworden. Die Gebäude sind in vielen Fällen alt, nur schon das Heizen kostet viel Geld. Gleichzeitig aber sinken die Einnahmen, wenn Gläubige fehlen.

Gerade in Städten gibt es schlicht zu viele Gotteshäuser für die verbliebenen Kirchenmitglieder. Dies zeigen die neusten Daten, die das Bundesamt für Statistik Ende Januar veröffentlicht hat: 35,6 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer gehören keiner Religionsgemeinschaft mehr an, so viele wie noch nie. In der Reformationsstadt Basel gibt es noch rund 17'500 Reformierte, aber fast 85'000 Personen ohne Kirchenzugehörigkeit.

Die römisch-katholische Kirche hat jetzt reagiert: Die Bischofskonferenz hat kürzlich einen neuen Leitfaden publiziert, wie Kirchgemeinden vorgehen sollen, wenn sie über zu viele und zu teure Gebäude verfügen. «An vielen Orten stellen sich in den nächsten Jahren handfeste Fragen nach Sinn und Zweck der Erhaltung der kircheneigenen Immobilien», heisst es darin.

Kinderkrippen: ja – Muslime: nein

Das «Wie weiter?» ist oft schwierig: Mal stehen denkmalschützerische Gründe einer neuen Nutzung oder einem Abriss im Weg. Und mal sind es die Gläubigen, die an einem Gebäude noch sehr hängen, haben sie dort doch von Verwandten Abschied genommen oder ihre Kinder getauft.

Für die Bischöfe stehen grundsätzlich kirchliche, kulturelle oder soziale Nutzungen im Vordergrund, etwa Ausstellungen und Konzerte oder der Einzug einer Kinderkrippe in Nebenräume. Der Abriss soll Ausnahme bleiben und auch zum Verkauf rät der Leitfaden nicht. Es könnte sonst plötzlich zu Nutzungen kommen, «die mit der Kirche oder ihren ethischen Prinzipien unvereinbar sind».

Eine Lösung könne auch die Nutzung durch andere Gemeinschaften sein. Die Bischöfe schliessen in ihrem Leitfaden aber nur christliche Gemeinschaften mit ein, die nicht missionieren. Andere Religionen wie Muslime oder Buddhisten sollen laut dem Papier keinen Zugang erhalten. Bereits vor einigen Jahren hatte der Basler Bischof Felix Gmür (58) auf einem Podium gesagt: «Ich würde einer Umnutzung zu einer Moschee nie zustimmen. Manche Moslems würden dies als Übernahmecoup verstehen.»

Alternativen: Pub, Party oder Parlament

Wohnungen, Pubs oder sogar eine Kletterhalle: Aus England beispielsweise sind verschiedene auffällige Neunutzungen bekannt. Fortschrittliche Lösungen gibt es auch in der Schweiz: In der Elisabethenkirche in Basel finden auch mal Partys statt, in Zürich zog das Parlament für die Zeit der Rathaussanierung in die Kirche ein.

In Olten sagt Kirchgemeindepräsidentin Monique Rudolf von Rohr: «Wir kommen nicht darum herum, unsere Infrastruktur zu verkleinern.» Mit jedem Austritt, mit jedem Todesfall wird die finanzielle Situation für die Christkatholiken, die kleinste Landeskirche, schwieriger. Letztlich sei es wichtiger, das Geld in die Seelsorge als in Gebäude zu investieren, so Rudolf von Rohr.

Ihren Fokus setzt die Kirchgemeinde nun auf die Oltner Stadtkirche. «Wir wollen die Kirche so lange wie möglich halten», sagt die Christkatholikin. Bereits ist ein modernes Nutzungskonzept umgesetzt: Das Pfarreisekretariat ist in einem Seitenteil der Kirche untergebracht, im Pfarrhaus gibt es dafür Wohnungen, die Miete einspielen. Die Kirche wird von der ganzen Stadt genutzt, auch für Konzerte, Diskussionsrunden und Ausstellungen.


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