Jährlich kommen in der Schweiz rund 40 Kinder zur Welt, bei denen nicht klar gesagt werden kann, ob es ein Mädchen oder ein Knabe ist. Früher sind viele Kinder mit uneindeutigen Geschlechtsmerkmalen rasch nach der Geburt operiert worden, um ihnen ein Geschlecht zuzuweisen. Meist wurden sie zu Mädchen operiert.
Daneben gibt es auch Kinder, deren spätere geschlechtliche Entwicklung zu Unklarheit über ihr Geschlecht führt. Vor allem dann, wenn sie sich mit ihrem Körper und ihrem Geschlecht unwohl fühlen.
Betroffene sollen selber entscheiden können
Erstmals hält die Schweizer Regierung fest: Aus heutiger Sicht verstossen solche frühen, vermeidbaren Eingriffe gegen das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Diese Operationen hätten in vielen Fällen Leid verursacht. Wenn immer möglich müsse mit irreversiblen Behandlungen zugewartet werden, bis das Kind alt genug sei und selbst darüber entscheiden könne.
Die nationale Ethikkommission im Bereich der Humanmedizin (NEK) hatte 2012 im Auftrag des Bundesrates einen Bericht zum Thema vorgelegt. Darin formulierte sie 14 Empfehlungen, die sich vor allem an Mediziner und Fachverbände, aber auch an staatliche Stellen richten. Im Zentrum steht die Forderung, die Integrität der Betroffenen zu achten und gegen jede Form von Diskriminierung anzugehen.
Eintrag des Geschlechts einfacher ändern
Von den Empfehlungen an den Bund seien die meisten bereits umgesetzt oder befänden sich in Umsetzung, schreibt der Bundesrat. So würden in Gesetzen und Verordnungen diskriminierende Begriffe geändert. Auch es solle einfacher werden, den zivilrechtlichen Geschlechtseintrag zu ändern.
Details dazu gibt der Bundesrat nicht bekannt. Die Ethikkommission hatte dafür plädiert, dass Betroffene den Eintrag des Geschlechts in Urkunden unbürokratisch ändern können. Ausschlaggebend für die Beurteilung des Geschlechts solle die «nachvollziehbare Selbsteinschätzung» sein, die Merkmale des Geschlechts seien zweitrangig. Die Einführung einer dritten Geschlechtskategorie, wie sie etwa Australien kennt, lehnte die Ethikkommission ab.
Keine Beratung für Eltern betroffener Kinder
Nicht erfüllen will der Bundesrat die Empfehlung, betroffenen Eltern und Kindern eine kostenlose und umfassende psychosoziale Beratung bis ins Erwachsenenalter anzubieten. Er hält ein solches Angebot für nicht finanzierbar, wie es in der Mitteilung heisst.
Dagegen teilt der Bundesrat die Einschätzung der NEK, dass der offene, nicht diskriminierende Umgang mit Menschen uneindeutigen Geschlechts eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe ist. Künftig solle diesem Thema in der Rechtsetzung vermehrt Beachtung geschenkt werden, hält er fest.
Eine wichtige Rolle spielten zudem die erhöhte Sensibilität in der breiten Öffentlichkeit und die Anstrengungen der Medizin, bei der Betreuung und Behandlung von Betroffenen deren Selbstbestimmungsrecht und die Achtung ihrer körperlichen und psychischen Integrität in den Vordergrund zu stellen. (sda/hlm)