Kims China-Reise bringt Bewegung in Fernostpolitik
Zug um Zug in Richtung Frieden

Der nordkoreanische Diktator Kim Jong Un wirbelt die politische Ordnung in Fernost durcheinander. Und seine Charmeoffensive ist noch nicht zu Ende.
Publiziert: 01.04.2018 um 20:40 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2018 um 05:15 Uhr
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Besuch des Vasallen: Nordkoreas Kim macht in Peking seine Aufwartung – für die Chinesen ein Sieg nach Punkten.
Foto: Reuters
Johannes von Dohnanyi

Der Zug ist ein eminent politisches Fahrzeug. Da gab es etwa den Eisenbahnwagen von Compiègne, einer Stadt im Norden Frankreichs. Hier nahm Frankreichs Marschall Ferdinand Foch im November 1918 die Kapitulationsurkunde Deutschlands entgegen und besiegelte damit das Ende des Ersten Weltkriegs.

22 Jahre später liess Hitler den gleichen Wagen wieder nach Compiègne fahren: Nun mussten die besiegten Franzosen ihre Unterschrift unter ein Waffenstillstandsabkommen setzen. Überhaupt Hitler: Mit dem sogenannten Führersonderzug fuhr er 1938 triumphierend an die Münchner Konferenz. Während des Zweiten Weltkriegs inspizierte er so auch die verschiedenen Fronten und Kriegsschauplätze.

Der nordkoreanische Staatsgründer Kim Il Sung nutzte im Koreakrieg einen Zug als rollende Kommandozentrale. Per Eisenbahn fuhr später auch Kim Il Sungs Sohn herum, der Diktator Kim Jong Il – kurz vor seinem Tod im Dezember 2011 reiste er so auch nach Peking.

Diese Woche nun tat es ihm der Enkel gleich. Das Amateurvideo des in stumpfem Militärgrün lackierten Zuges, der in einen Bahnhof der chinesischen Hauptstadt rollte, war ein weiteres Zeichen für die überraschenden Bewegungen in der Nordkoreakrise. An Bord der gepanzerten Waggons war kein Geringerer als Kim Jong Un, der in Begleitung seiner Ehefrau Ri Sol Ju und wichtiger Berater dem chinesischen Staatschef Xi Jinping seine Aufwartung machte.

Es war die erste Auslandreise des nordkoreanischen Diktators seit seiner Machtübernahme vor sieben Jahren. Und zugleich die politisch-strategische Meisterprüfung des jungen Nordkoreaners.

Die Charmeoffensive soll weiterrollen: Für Ende April haben sich Kim Jong Un und der südkoreanische Präsident Moon Jae In zu einem Treffen verabredet. Das Internationale Olympische Komitee will Nordkorea aufnehmen. Und im Mai wollen sich Kim Jong Un und der von ihm einst als «debiler Greis» verhöhnte US-Präsident Donald Trump gar persönlich begegnen.

Auf der Tagesordnung soll dann nicht nur das von den USA geforderte Ende des nordkoreanischen Raketen- und Atomwaffenprogramms stehen. Kim Jong Un erhoffte sich von Amerika im Gegenzug schriftliche Überlebensgarantien für sein Regime.

Mit seiner überraschenden Eisenbahnfahrt nach China hat Kim Jong Un die Teile des koreanischen Puzzles mächtig durcheinandergewirbelt. Seine Raketen- und Atomtests hatten zuvor die chinesische Führung in Bedrängnis gebracht. Mehrfach hatte Peking – gegen die eigenen Interessen – im UN-Sicherheitsrat neuen scharfen Sanktionen gegen Nordkorea zustimmen müssen.

Jetzt hat Kim Jong Un diese internationale Front gegen sein Regime gesprengt. Als lernwilligen Schüler, der die Worte des Meisters buchstabengetreu in ein Heft schreibt, zeigte ihn das chinesische Fernsehen bei der Begegnung mit Xi Jinping – das von der chinesischen Führung offenbar verlangte Bild der nordkoreanischen Unterwerfung. Auch die Chinesen lieben Symbole.

In seinem Zug und zurück in Nordkorea war Kim Jong Un dann aber wieder der Chef.

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