Das Stimmvolk entscheidet zwar erst in drei Monaten über die Begrenzungs-Initiative der SVP, doch die politische Fieberkurve steigt jetzt schon merklich an: Heute eröffnete Bundesrätin Karin Keller-Sutter (56) den Abstimmungskampf. Es ist eine Kampfansage an die SVP!
Sie will nämlich die Lehren aus der vermasselten Kampagne 2014 gegen die Masseneinwanderungs-Initiative der SVP ziehen, die das Stimmvolk knapp angenommen hatte.
«Ich hoffe, dass es eine Mobilisierung gibt!», so die FDP-Magistratin. Die Allianz zugunsten des bilateralen Wegs habe 2014 nicht funktioniert. Damals habe man zu sehr auf einen Sieg vertraut und sich zu wenig engagiert.
Bundesrat plant bereits Termine
Sie macht nun klar: «Dieser Abstimmungskampf wird durch alle Mitglieder des Bundesrats bestritten.» Sie selbst hat bereits Termine abgemacht – etwa in Basel, der Zentralschweiz, der Ostschweiz wie auch in der Romandie. Aussenminister Ignazio Cassis werde im Tessin auftreten, Sozialminister Alain Berset in der Romandie.
Aber der Bundesrat kämpfe nicht alleine, auch Kantone, Parteien oder Verbände würden sich engagieren.
Diesmal soll die Mobilisierung der SVP-Gegner also besser klappen. Zumindest im Slogan sind sie sich bereits einig: So betiteln die Gegner das Begehren bereits konsequent als Kündigungs-Initiative.
«Waghalsige Wette»
Aus Sicht Keller-Sutters steht für die Schweiz tatsächlich viel zu viel auf dem Spiel, sollte die Initiative angenommen werden. «Die Schweiz müsste das Personenfreizügigkeitsabkommen mit der EU kündigen.» Dass das Abkommen innerhalb eines Jahres neu verhandelt werden könnte, wie dies die Initiative verlangt, hält Keller-Sutter schlichtweg für unrealistisch.
Bei einem Ja würden schliesslich auch die übrigen Abkommen der Bilateralen I dahinfallen. Diese sind mit der Guillotineklausel verknüpft und würden automatisch ausser Kraft gesetzt. Wer behaupte, das liesse sich durch geschickte diplomatische Bemühungen umgehen, «der pokert sehr hoch», so Keller-Sutter. «Eine solch waghalsige Wette sollten wir als wirtschaftlich derart stark vernetztes Land nicht eingehen!»
Sie machte klar: «Ein Ja zur Begrenzungsinitiative bedeutet nichts Geringeres als das Ende des bewährten bilateralen Wegs und birgt das Risiko eines vertragslosen Zustands.» Gleichzeitig warnte vor massiven wirtschaftlichen Schäden für diesen Fall.
Auch der Bundesrat wolle keine ungebremste Zuwanderung, sondern «nur so viel wie nötig», so Keller-Sutter. Sie erinnerte daran, dass der Bundesrat das inländische Arbeitskräftepotenzial fördern wolle. Ausdrücklich erwähnte sie etwa die Stellenmeldepflicht in Berufen mit überdurchschnittlicher Arbeitslosigkeit oder die geplanten Überbrückungsleistungen für ältere Arbeitslose.
Abwarten bei EU-Rahmenabkommen
Für die Justizministerin ist am 17. Mai der wichtigste Urnengang der Legislatur. Kommt die Initiative durch, sind die Beziehungen zur EU ein Scherbenhaufen. Mit allen Mitteln versucht Keller-Sutter ein Ja zu verhindern.
Daher will sie der SVP auch nicht unnötig Munition liefern, indem sie die Diskussion um das EU-Rahmenabkommen anheizt. Die Forderung von FDP-Chefin Petra Gössi (44) im BLICK, die Gewerkschaften sollten bis Ende April Lösungen auf den Tisch legen, wollte die FDP-Bundesrätin «nicht kommentieren». Nur so viel: «Ich nehme die Gewerkschaften als gesprächsbereit wahr.»
Sie machte aber auch klar, dass vor der Abstimmung keine konkreten Vorschläge zu erwarten sind. «Man will die zwei Themen nicht vermischen.» Am 17. Mai gehe es zuerst um den Grundsatzentscheid, ob man den bilateralen Weg weiterführen wolle.
Danach müsse man die Position innenpolitisch klären, bevor man der EU ein Angebot unterbreiten könne. Auch in der Verwaltung werde an möglichen Vorschlägen gearbeitet werde, so Keller-Sutter. «Ich möchte aber kein Datum und keine Frist nennen.»
FDP legt Keller-Sutter Steine in den Weg
Keller-Sutter steht jedenfalls kein einfacher Abstimmungskampf bevor. Zwar stellen sich alle wichtigen Parteien – ausser der SVP – gegen die Initiative. Doch ausgerechnet die FDP legt der eigenen Bundesrätin gewichtige Steine in den Weg.
Nicht nur Gössis jüngste Forderung, beim Rahmenabkommen Dampf zu machen, kommt der FDP-Bundesrätin ungelegen. Sondern auch, dass die FDP drauf und dran ist, ihr eine bedeutende Trumpfkarte aus der Hand zu schlagen.
So will Keller-Sutter gegenüber älteren Arbeitnehmenden, die sich besonders vor der ausländischen Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt fürchten, ein Zeichen setzen. Ältere Arbeitslose ab 60, die ausgesteuert werden, sollten nicht mehr in der Sozialhilfe landen, sondern bis zum ordentlichen Rentenalter eine Überbrückungsleistung erhalten. Doch die FDP torpediert diese Idee.