Die Ladenkasse ist verwaist, der Briefkasten leer, das Flugzeug bleibt am Boden, die Polizei kommt nicht mal, wenn es kracht, in den Spitälern bricht Personalnotstand aus, und die Schüler erhalten keinen Unterricht: So sähe es aus, wenn Frauen streikten.
Am 14. Juni, fast dreissig Jahre nach dem historischen Frauenstreik, werden es viele von ihnen wieder tun. Welche Konsequenzen hat dies für sie? BLICK machte eine Umfrage bei Unternehmen und Behörden. Ob Migros, Coop, Aldi, SBB, Swiss, Post, Swisscom, UPC, Roche, Novartis, UBS, Credit Suisse, Axa, Allianz, McDonald’s, Starbucks, Unispitäler, Polizeien oder Behörden – der Grundtenor ist der gleiche: Wenn die Frauen in ihrer Freizeit streiken, sei das gar kein Problem. Man schreibe den Mitarbeiterinnen ja nicht vor, wie sie ihre Freizeit gestalten sollen.
Erlaubnis, um zu streiken?
Doch ein Streik findet nun mal per Definition während der Arbeitszeit statt. «Seit wann brauchen wir eine Erlaubnis, um zu streiken?», sagt Manuela Honegger (38), Mitglied des nationalen Komitees Frauenstreik.
Die SBB betonen, dass mit allen Mitarbeitern, die dem Gesamtarbeitsvertrag (GAV) unterstellt sind, eine Friedenspflicht vereinbart sei. Das heisst: «Den absoluten Arbeitsfrieden zu wahren und auf jede arbeitsstörende Massnahme wie Streik, Warnstreik, streikähnliche Massnahmen, Boykott oder Aussperrung zu verzichten.» Gleich tönt es bei der Swiss: Der GAV beinhalte «eine abso lute Friedenspflicht», die keine Streikmassnahmen vorsehe. Auch Swisscom, UPC und Post beziehen sich darauf.
Übliche arbeitsrechtliche Konsequenzen
Und wenn Frau trotzdem streikt? «Sofern Mitarbeiterinnen ohne Erlaubnis unentschuldigt der Arbeit fernbleiben, müssen sie mit den üblichen arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen», so die Migros.
Novartis sieht es entspannter: Eine Teilnahme am Streik interpretiert das Unternehmen nicht als Arbeitsverweigerung, sondern höchstens als Verletzung des Arbeitszeitreglements.
Der Kanton Zürich jedoch teilt seinen Lehrerinnen mit: «Der Unterricht ist gemäss Stundenplan zu gewährleisten; Unterrichtseinstellungen sind nicht zulässig.» Das gilt auch im Aargau, in Bern, St. Gallen, Luzern.
Rücksicht aufs Patientenwohl
Den Spitälern ist wichtig, dass auf das Patientenwohl Rücksicht genommen wird. Das Unispital Zürich will pragmatisch vorgehen, es handle sich ja nur um ein paar Stunden.
Die Kantonspolizei Aargau definiert den Frauenstreik gar nicht erst als «Streik im arbeitsrechtlichen Sinn». Der Aktionstag erfülle dafür nicht die formellen Erfordernisse, sekundiert der Kanton Bern.
«Der Frauenstreik ist kein eigentlicher Streik», urteilt auch Thomas Geiser (65), Professor für Arbeitsrecht von der Universität St. Gallen. Verfassungsmässig sei festgelegt, dass ein Streik sich gegen einen Arbeitgeber richtet, von einer tariffähigen Organisation ausgeht und das Ziel hat, eine kollektive Regelung im Gesamtarbeitsvertrag zu finden: «Eher handelt es sich beim Frauenstreik um eine Meinungsäusserung.»
Missbräuchliche Kündigung
«Wegen einmaligem Blaumachen aber kann der Arbeitgeber keine fristlose Entlassung durchsetzen», sagt Arbeitsrechtler Geiser.
Werde man deswegen – und nur aus diesem Grund – ordentlich entlassen, wäre es sogar eine missbräuchliche Kündigung, ist er überzeugt.
Die Kündigung bleibe dann zwar bestehen, der Arbeitgeber müsste aber eine Strafzahlung entrichten.