Ex-Bundesratssprecher Oswald Sigg (71) über das bedingungslose Grundeinkommen
«Wir sind weiss Gott kein Volk von Faulen!»

Ex-Bundesratssprecher Oswald Sigg unterstützt die Idee des Grundeinkommens. Er fürchtet sich nicht vor massenweise untätigen Teenagern. Aus einem speziellen Grund.
Publiziert: 15.03.2016 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 07.10.2018 um 12:43 Uhr
«Keine Sorge, die Arbeit wird auch künftig erledigt werden»: Ex-Bundesratssprecher Oswald Sigg sagt Ja zum Grundeinkommen.
Foto: EQ-Images
Interview: Christoph Lenz

Das bedingungslose Grundeinkommen ist quasi eine Gammelpauschale. Man erhält Geld fürs Nichtstun. Warum finden Sie das gut?

Es ist zwar eine Pauschale. Jeder Bürger soll nämlich den gleichen Betrag erhalten. Aber deswegen ist das bedingungslose Grundeinkommen noch lange nicht zum Gammeln da. Der Betrag garantiert eigentlich nur die menschliche Existenz. Nicht mehr! Es ist ein Sockel. Darauf kann man leben und arbeiten.

Was stört Sie am Zusammenhang von Arbeit und Lohn?

Viele Menschen befinden sich heute in einem Zwangsarbeits-System. Sie arbeiten oft unter Druck und haben dabei Existenzängste. Diese Ängste fallen weg, wenn die Existenz durch das Grundeinkommen gesichert ist.

Warum soll ein Teenager künftig noch etwas Vernünftiges lernen, wenn er doch eh Aussicht auf 2500 Franken monatlich hat?

Es scheint eine verbreitete Befürchtung zu sein, dass die Jungen den lieben langen Tag nur noch vor dem Fernseher sitzen und nichts mehr unternehmen werden. Meine böse Antwort: Schauen Sie mal den ganzen Tag lang Schweizer Fernsehen. Das verleidet Ihnen doch schon am Vormittag wie auch bei anderen Fernsehsendern!

Im Ernst: Ökonomischer Druck ist doch gut, er schafft eine gewisse Motivation.

Das Problem ist einfach nicht real. Wir Schweizer sind doch weiss Gott kein Volk von Faulen!

Wer arbeitet noch in der Pflege? Auf dem Bau? Wer macht noch die schwere Arbeit, wenn man mit dem Grundeinkommen schon ausgesorgt hat?

Keine Sorge, die Arbeit wird auch künftig erledigt werden. Wenn auch anders. Erstens gewinnen die Bürger durch das Grundeinkommen Zeit. Weniger Lohnarbeit erlaubt ihnen zum Beispiel, ihre Nächsten zu begleiten und zu pflegen. Zweitens werden die Leute im Niedriglohn-Sektor gestärkt, etwa Strassenwischer und Servicepersonal. Das Grundeinkommen verhilft ihnen insgesamt zu einem höheren Lohn. Zu Recht – ihre Arbeit ist mehr wert, als sie heute erhalten.

Wie stellen Sie sich die Finanzierung des Grundeinkommens vor?

Ich schlage eine Mikrosteuer auf dem Zahlungsverkehr vor. Das Konzept ist ganz simpel: Bei jeder digitalen Zahlung wird 1 bis 2 Promille des Betrags als Steuer erhoben. Damit wäre das Grundeinkommen finanziert. Und zwar ohne jemanden persönlich zu belasten.

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