Kampfjet-Krimi
Amherds Entscheid kostet die Deutschen 15 Millionen

Die Bieterstaaten haben viel in das dreijährige Auswahlverfahren investiert. Wenn Armasuisse in den nächsten Wochen zum Debriefing lädt, dürfte es kritische Fragen geben.
Publiziert: 04.07.2021 um 02:02 Uhr
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Aktualisiert: 04.07.2021 um 18:26 Uhr
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Machte das Rennen: Eine Maschine des Typs F-35 des US-Herstellers Lockheed Martin.
Foto: DUKAS
Reza Rafi, Camilla Alabor

Mit dem Zuschlag für den US-Kampfjet F-35 stiess der Bundesrat am Mittwoch seine europäischen Partner vor den Kopf.

Abgerechnet wird in den nächsten Wochen, sobald die unterlegenen Anbieter in Bern auf Vertreter des Bundes treffen.

Bei dieser Konferenz, dem sogenannten Debriefing, dürften Deutsche und Franzosen, die mit ihrem Eurofighter beziehungsweise ihrer Rafale den Kürzeren zogen, kritische Detailfragen stellen. Vorbereitungen für die Treffen laufen, wie SonntagsBlick erfuhr. Einladungen hat der Bund noch nicht verschickt, ein konkretes Datum wird demnächst festgelegt.

EU ist enttäuscht

Die Enttäuschung über die Schweiz in Berlin und Paris, aber auch in Rom, Madrid und London, ist deutlich zu vernehmen.

Der Grund des Ärgers lässt sich bei Airbus erkennen, der Konzern ist über ein Konsortium wesentlich am Eurofighter beteiligt. Die Kosten, die für das Unternehmen während des drei Jahre dauernden Auswahlprozederes der Schweiz entstanden sind, belaufen sich auf rund 15 Millionen Euro.
Offiziell gibt Airbus keine Zahlen bekannt. Die Schätzung stammt von bestens informierten Kreisen aus dem Umfeld der multinationalen Firma.

Zum Pitch, dem Wettbewerb, gehörten Bereitstellung und Transport der Flugzeuge in die Schweiz, damit sie von hiesigen Testpiloten geflogen werden konnten. Überdies hatte das deutsche Verteidigungsministerium aus Industrie-, Politik- und Militärkreisen eine eigene, grosszügig besetzte Abteilung für den Schweizer Rüstungsauftrag gebildet, zu der auch Airbus-Leute gehörten.

Insgesamt dürften sich die Kosten der befreundeten Staaten durch das Bieterverfahren auf mehrere Dutzend Millionen belaufen.

Die Fragen der Hersteller, die sie derzeit für das Debriefing in Bern vorbereiten, zielen auf mehrere Bereiche. Dazu gehören die Kosten, die Technik, die juristische und die politische Dimension.

Hinterfragt werden etwa die berechneten 1500 Flugstunden, die beim US-Jet F-35 gegenüber den Konkurrenzfliegern wegfallen. Oder dass die drei Verlierer detaillierte Industriedossiers einreichten, Lockheed Martin dem Vernehmen nach hingegen praktisch nichts. Vor allem rätseln die Unterlegenen des Auswahlverfahrens, wie die Amerikaner sie derart unterbieten konnten. Dass das US-Angebot für die F-35 gut zwei Milliarden günstiger ist, erfuhren die Europäer erst am Mittwoch.

Verdächtiger Preis

Nicht nur in den Ohren der Konkurrenz klingt dieser Preis fast zu gut, um wahr zu sein. Aviatik-Experten wie der ehemalige Airbus-Mann Georges Bridel geben sich skeptisch. Der Flugzeugentwickler verweist darauf, dass in den USA eine heftige Debatte über Sinn und Unsinn der F-35-Entwicklung im Gange ist.
Die hochgradig digitalisierte Maschine erweist sich demnach als pannenanfällig. So listet ein Bericht des US-Verteidigungsministeriums mehr als 870 Software-Mängel auf. Zudem sind die Kosten aus dem Ruder gelaufen. «Wie kann es sein, dass Lockheed Martin der Schweiz ein solch günstiges Angebot machen kann, wenn in den USA so vieles schiefläuft?», fragt Bridel rhetorisch.

Max Ungricht, langjähriger Chefredaktor des Aviatikmagazins «Cockpit», findet es deshalb «unverständlich», dass die Schweiz bei der Kostenberechnung nicht auf Berichte des US-Rechnungshofes zurückgegriffen hat. Es sei auch naiv anzunehmen, dass der Schweiz bessere Konditionen zugestanden würden als den Nato-Mitgliedsländern. «Ergo: Bei kommenden Upgrades wird kompensiert», lautet Ungrichts Prognose.

Für Flugzeugentwickler Bridel hat die F-35 die «falschen Einsatzprioritäten»: Die Flieger der Konkurrenz seien viel besser geeignet für Luftpolizei-Aufgaben – also schnell aufzusteigen und unbekannte Flugzeuge abzufangen – und für die Luftverteidigung. Mit der F-35 kaufe man ein Flugzeug, «das ideal auf das unwahrscheinlichste Szenario – einen umfassenden Luft- und Bodenkrieg – vorbereitet ist, während es für den alltäglichen Dienst wenig geeignet ist.»

Was passiert nach zehn Jahren?

Darko Savic, Projektleiter Neues Kampfflugzeug im Verteidigungsdepartement (VBS) nahm am Freitag Stellung. Im Hinblick auf die Kosten sagte Savic, sie seien für die ersten zehn Jahre vertraglich garantiert. Mit anderen Worten: Die Schweiz wird während dieser Zeit keinen Rappen mehr zahlen als vereinbart. Die Vereinbarung gilt allerdings nicht für die darauffolgenden zwanzig Jahre.

Wie will man also verhindern, dass Lockheed Martin die Schweiz danach übermässig zur Kasse bittet?

Eine verbindliche Regelung über die gesamten dreissig Jahre Laufzeit zu treffen, wäre «aus kaufmännischer Sicht unseriös» gewesen, glaubt Savic. Auch gehe man davon aus, dass die bekannten Mängel bis zur Auslieferung der Jets in vier Jahren behoben sein werden.

Neben den Kosten dürfte beim Debriefing mit den unterlegenen Anbietern auch der öffentliche Auftrag an die Zürcher Kanzlei Homburger zu reden geben. Deren Anwälte hatten zuhanden Amherds eine Auslegeordnung der Offerten erstellt und die Analyse des Bundes auf «Plausibilität» überprüft.

Zynisch fragt man sich nun in Aviatik-Kreisen, was denn Wirtschaftsadvokaten, die sich sonst mit Firmenfusionen, Steuerrecht oder Prozessführung beschäftigen, vom Thema militärische Luftabwehr verstehen.

Das Engagement der Juristen wirft zudem ein Schlaglicht auf die Praxis bei der Bundesverwaltung, trotz eines Personalstocks von beinahe 40 000 Angestellten einen solch teuren externen Dienstleister hinzuzuziehen – alles auf Rechnung des Steuerzahlers, versteht sich.

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