Der Ständeratswahlkampf in Zürich wird kein Spaziergang – obwohl die beiden Bisherigen, Daniel Jositsch (54, SP) und Ruedi Noser (58, FDP), erneut antreten. Nicht wegen der Kandidatur von SVP-Nationalrat Roger Köppel (54). Der enorm polarisierende «Welt-woche»-Chefredaktor dürfte in der Majorzwahl ausserhalb der SVP kaum punkten und deshalb wenig Chancen haben. Auch wenn er 2015 der landesweit bestgewählte Nationalrat war.
Heiss wird es wegen der zwei Bewerberinnen Marionna Schlatter (39, Grüne) und Tiana Angelina Moser (40, GLP). Das Duo vereint viele Merkmale, die politisch derzeit hoch im Kurs sind: Sie sind weiblich, haben das Grün im Parteinamen, sind gut ausgebildet und rhetorisch beschlagen.
«Jetzt ist alles möglich»
«Vor einem halben Jahr habe ich mir kaum Chancen ausgerechnet, aber nach dem Sieg der Grünen bei den Kantonsratswahlen in Zürich ist jetzt alles möglich», sagt Schlatter selbstbewusst, als BLICK sie trifft.
Im Frühling gab es in Zürich für Schweizer Verhältnisse tatsächlich erdrutschartige Verschiebungen. Grüne und Grünliberale holten je neun zusätzliche Mandate; die SVP verlor ebenso viele. Und mit Martin Neukom (33) holten die Grünen zudem völlig überraschend einen Sitz in der Regierung. Wählen die Zürcher beim nationalen Urnengang im Oktober ebenso grün, könnte die Stunde von Schlatter schlagen.
Vor allem dann, wenn Jositsch im ersten Anlauf gewählt würde, Noser hingegen in den zweiten Wahlgang müsste. Dieser Ausgang ist aufgrund der vielen Kandidaten wahrscheinlich. Moser, Köppel und allenfalls CVP-Frau Nicole Barandun (50) würden in dieser Konstellation im zweiten Wahlgang die bürgerlichen Stimmen aufsplitten, wovon die Linke Schlatter profitieren könnte. Die Sensation wäre perfekt!
Schlatter will bei Bauern punkten
Wenn jedoch auch Jositsch in einen zweiten Wahlgang gezwungen würde, sänken die Chancen der Umweltfrauen Schlatter und Moser. Ihr Problem ist zudem, dass auch Noser einen grünen Touch versprüht. Der IT-Unternehmer gehört zum Öko-Flügel der FDP und unterstützt etwa die Gletscher-Initiative.
«Noser ist alles andere als grün», echauffiert sich jedoch Schlatter. «Es reicht bei weitem nicht, in einem Komitee Einsitz zu nehmen und vom Klima zu sprechen.» Es brauche wirksame Massnahmen gegen den Klimawandel, aber dagegen habe sich Nosers FDP bislang immer gesträubt.
Die diplomierte Pilzkontrolleurin sieht für sich noch einen weiteren Trumpf: «Ich bin eine bauernnahe Kandidatin – und setze mich von allen Ständeratsanwärtern am stärksten für eine in der Schweiz produzierende Landwirtschaft ein», sagt die Hinwilerin. Und ergänzt: «Ich habe selbst gerne Dreck unter den Nägeln.» Allerdings: Der Zürcher Bauernverband hat beschlossen, Schlatter nicht zu unterstützen – dafür aber Köppel.
Tamy Glauser im Rücken – oder im Nacken?
Immerhin: Wenn es nicht für den Ständerat reichen sollte, hat Schlatter gute Chancen auf einen Nationalratssitz. Wenn der prognostizierte Wahlsieg der Grünen eintrifft, dürften sie mindestens einen, vielleicht gar zwei Sitze in der grossen Kammer gewinnen.
Und eine Kandidatin, die ihr die Show hätte stehlen können, hat sich zurückgezogen: Tamy Glauser (34). Doch das hat auch seine Tücken: Denn das Topmodel sollte für die Grünen ein Zugpferd sein, mobilisieren und auch Personen für grüne Anliegen erreichen, die bislang den Urnen ferngeblieben sind – etwa aus der Lesben- und Schwulenszene. Daraus wird nun nichts.
Am 20. Oktober wählt die Schweiz ein neues Parlament. Wer bei den Worten panaschieren, CSP oder Proporz-System nur Bahnhof versteht, sollte sich über das ABC des wichtigen Urnengangs hier schlau machen.
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Am 20. Oktober finden die eidgenössischen Parlamentswahlen in der Schweiz statt. Die insgesamt 200 Sitz im Nationalrat werden nach Anzahl Bevölkerung auf die Kantone verteilt und müssen neu gewählt werden. Auch die 46 Sitze des Ständerats werden neu vergeben.
BLICK bietet rund um die Uhr die aktuellsten Informationen zum Wahlkampf, der politischen Themenagenda der Parteien und Kandidaten, der Sitzverteilung im Parlament und den Wahlergebnissen.
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