Auf einen Blick
Wenn man Konzerne als das steuerliche Tafelsilber bezeichnen darf, dann macht sich Donald Trump derzeit ans Tafelsilber der Schweiz. Zwei seiner vielen präsidialen Dekrete bedrohen den hiesigen Steuerstandort: Trump will die Bundesfirmensteuern unter das Niveau von 15 Prozent senken. Und er will Staaten sanktionieren, die US-Firmen im Ausland zwingen, die sogenannte OECD-Mindeststeuer einzufordern. Sie beträgt 15 Prozent effektive Gewinnbesteuerung. Damit hat sich Trump auf die Staaten eingeschossen, die das System der Mindeststeuer eingeführt haben, darunter die EU-Länder, die Schweiz, Grossbritannien, Australien und weitere 110 Länder.
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Mit seiner Taktik will er US-Firmen ins Land locken, die wichtige Niederlassungen im Ausland haben und dort tiefere Steuern zahlen als in den USA. Die US-Gewinnsteuern sind je nach US-Gliedstaat unterschiedlich hoch; addiert man jedoch die Steuern von Bundesstaat und Bund, liegen die Sätze deutlich höher als in der Schweiz – und fallen auch nicht unter die OECD-Mindeststeuerregel. Allein die US-Bundessteuer liegt bei 21 Prozent. Das ist mehr als die Gewinnsteuer im Kanton Zürich.
Sollte Trump die Steuern nun drastisch senken – die Rede ist von 11 bis 14 Prozent auf Bundesebene –, käme er fast auf das Niveau von Zug und Luzern. Dort werden Firmen heute mit rund 12 Prozent besteuert. Doch diese Steuerbelastung liegt höher für Konzerne, die unter die neuen OECD-Regeln fallen, also einen Umsatz von mindestens 750 Millionen Franken erzielen. Sie zahlen auch in Zug und Luzern mindestens 15 Prozent OECD-Mindeststeuer. Deshalb besteht die Sorge, dass Trump sie abwerben könnte.
Steuern für ein Achtel des Bundeshaushalts
Dass die hier angesiedelten Konzerne das Tafelsilber der Schweiz sind, hat damit zu tun, dass sie der Schweiz sehr viel Steuern abliefern. Wie viel genau, zeigt keine Statistik. Etliche Betroffene sind US-Firmen, wie zum Beispiel die US-Pharmafirma Johnson & Johnson mit Sitz in Zug und Schaffhausen. Annäherungsweise kann gesagt werden, dass es um rund 200 Schweizer Konzerne und 2000 Niederlassungen ausländischer Konzerne geht, die 1 Prozent der hiesigen Unternehmen ausmachen. Sie finanzieren geschätzt die Hälfte der 14 Milliarden Franken Gewinnsteuern, die der Bund jährlich einnimmt (Daten von 2021). Mit anderen Worten: Die OECD-definierten Konzerne finanzieren ungefähr ein Achtel des Bundeshaushalts.
Sollten nun Grossfirmen und US-Europa-Niederlassungen wegen Trumps Tiefsteuerstrategie mit der Zeit in die USA abwandern, müsste Finanzministerin Karin Keller-Sutter das Bundesbudget zusammenstreichen oder die Steuern erhöhen – oder eine Kombination davon. Deshalb wälzt Keller-Sutter diverse Szenarien, wie man Trump begegnen sollte.
Schweiz verzichtet auf OECD-Strafsteuer
Was das Konfliktpotenzial OECD-Mindeststeuer angeht, hat die Bundesrätin den Konflikt vorerst entschärft. Letzten Oktober entschied der Bundesrat, die sogenannte OECD-Ergänzungssteuer (UTPR) für ausländische Konzerne vorerst nicht einzuführen. Sie ist eine Art Strafsteuer für Unternehmen, die hier niedergelassen sind, aber im Ausland nicht mindestens 15 Prozent Gewinnsteuer abliefern. Ein hypothetisches Beispiel ist Google. Sollte der US-Konzern in den USA weniger als 15 Prozent versteuern, könnte die Schweiz gemäss OECD-Regeln eigentlich die Differenz einfordern. Doch darauf verzichtet sie bis auf Weiteres.
Dies hat Keller-Sutter in Abkehr von der Praxis der EU-Kommission gemacht, die entschieden hat, dass alle EU-Länder diese ausländische Ergänzungssteuer einziehen müssen – auch in Bezug auf US-Firmen. Die EU macht dies logischerweise, um Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern. Doch solange sie daran festhält, rast Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit Vollgas auf Trump zu, der diese Ergänzungssteuer verhindern will.
Um eine Frontalkollision zu verhindern, dürfte die EU nachgeben und US-Firmen auf Zusehen hin eine Ausnahme gewähren, vermuten Experten. Eine Ausnahme, die, sollte Trump nach vier Jahren abtreten und die Demokraten wieder ans Ruder kommen, wieder aufgehoben werden könnte.
Einvernehmen der EU mit der Schweiz
Keller-Sutter muss aber auch die EU im Blick behalten. Denn viele Konzerne des Schweizer Tafelsilbers, auch US-Konzerne, betreiben Geschäfte im EU-Binnenmarkt. Solange sie dort nachweisen, dass sie dem Schweizer Fiskus mindestens 15 Prozent abliefern, lässt man sie in Ruhe. Für den Nachweis verlangen EU-Steuerkommissare eine Bestätigung, dass sie die OECD-Mindestbesteuerung der Schweiz erfüllen.
Dafür zuständig ist aber nicht Keller-Sutter, sondern die Kantone, die die Firmen veranlagen. Sie geben das OECD-Gütesiegel; umgesetzt wird es in drei Varianten.
Variante eins: Die Kantone heben ihren Firmensteuersatz auf mindestens 15 Prozent an, darunter Genf, Waadt, Neuenburg und Basel-Stadt.
Variante zwei: Die Kantone behalten Tiefsteuersätze für Firmen um die 12 Prozent, darunter Zug und Luzern, und erheben (kantonale) Ergänzungssteuern für Konzerne, die unter das Mindeststeuerregime fallen.
Und Variante drei: Die Kantone verlangen schon heute mehr als 15 Prozent Gewinnsteuer, etwa von Banken und Versicherungen in der Stadt Zürich. So machen die Kantone Keller-Sutter glücklich und Letztere wiederum ihre EU-Amtskollegin von der Leyen.
Rechtsunsicherheit als Nachteil für die USA
Glaubt man Steuerexperten und den Verantwortlichen der Tiefsteuerkantone, muss man sich ums Tafelsilber derzeit keine Sorge machen. «Mir sind keine Firmen bekannt, die jetzt erwägen, den Steuersitz in die USA zu verlegen», sagt Benjamin Thumm, Leiter internationale Steuern der Wirtschaftsprüfungsfirma BDO. Er betreut viele Firmen mit über 1 Milliarde Franken Umsatz.
Der grösste Nachteil der USA: die Rechtsunsicherheit. Thumm sagt, dieselben Überlegungen habe es schon beim Trump-Antritt 2016 gegeben. Auch damals machten die USA den Konzernen attraktive Angebote. «Etliche Firmen schreckte die Überlegung ab, dass die US-Steuerbedingungen vier Jahre später, nach Ablauf der Präsidentschaft, bereits ganz anders sein könnten.» Deshalb könnte auch diesmal ein Grossteil der Konzerne davor zurückschrecken, den Steuersitz rasch in die USA zu verlegen.
Und schliesslich gibt es noch einen massgeblichen Hinderungsgrund für Konzerne, nicht einfach die Sachen zu packen, die Wegzugsbesteuerung. Sie ist nicht billig. «Stille Reserven werden dann besteuert, was ins Geld gehen kann. Dies schreckt Firmen davon ab, den Steuersitz ins Ausland zu verlegen», sagt Thumm. Bisher scheint das Tafelsilber also sicher zu sein.