Kampf mit Waffen
Neonazis mit Terror-Trainings in der Schweiz

Im Lagebericht des Nachrichtendienstes NDB des Bundes stehen alarmierende Befunde zu gewaltbereiten Rechtsextremisten: Sie trainieren für den Terrorkampf und horten Waffen. Dazu sind sie schon bewaffnet und setzen mitgeführte Waffen auch rücksichtlos ein.
Publiziert: 04.05.2015 um 14:33 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 19:28 Uhr
Von Matthias Halbeis

Rechtsextreme trainieren in der Schweiz den Umgang und Kampf mit Waffen. Diese beunruhigenden Informationen hat der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) heute in seinem Lagebericht veröffentlicht. Dazu könnte es sein, dass die Neonazis gemäss Einschätzung der NDB-Antiterror-Spezialisten im letzten Jahr erstmals einen Anschlag in Thun verübt haben, der strategische Absicht erkennen lasse.

So schreiben die Schlapphüte: «Weiterhin gilt, dass Rechtsextreme zum Teil bewaffnet sind und mitgeführte Waffen gegebenenfalls auch einsetzen können.» Schusswaffen würden gesammelt, gehandelt und möglicherweise auch über die Grenze geschmuggelt. Und: «Es ist aufgrund von Erkenntnissen aus Hausdurchsuchungen – in der Regel als Zufallsfunde – anzunehmen, dass in der Szene vielfach grössere Sammlungen funktionstüchtiger Waffen bestehen.»

Offenbar agieren die Neonazis und andere Rechtsextreme im Untergrund: «Weiterhin halte sich die rechtsextreme Szene bedeckt; was an Gewalttaten sichtbar wird, lässt weitgehend keine strategischen Absichten erkennen», schreibt der NDB. Eine Ausnahme bilde möglicherweise die Platzierung einer unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtung Ende Mai vor dem Durchgangszentrum in Thun BE. Diverse Sprayereien deuten laut den NDB-Spezialisten auf eine rechtsextreme Täterschaft, und der Brandanschlag erfolgte einen Tag vor dem Einzug der Bewohner in die Asylunterkunft. Immerhin: Insgesamt seien Angriffe auf Einrichtungen des Asylwesens durch rechtsextreme Täter selten.

Fremdenfeindlichkeit und Rassismus gehörten jedoch zum Rechtsextremismus. Dies zeigt sich nicht nur bei Verstössen gegen die Rassendiskriminierungsstrafnorm (Art. 261bis StGB) oder bei Schmierereien und auf Transparenten, sondern auch bei Angriffen auf Personen, heisst es im Bericht weiter. Provokationen, Pöbeleien oder tätliche Angriffe – meist im Zusammenhang mit Alkohol im Ausgang – richten sich zudem gegen linksextreme oder als linksextrem angesehene Personen.

Bei solchen Angriffen nehmen die Täter schwerste Verletzungen der Opfer in Kauf. «So wie im Januar 2014 der Angriff mehrerer Rechtsextremer auf einen Einzelnen an der Dorffasnacht von Schübelbach SZ». Zudem ist die Dunkelziffer hoch: «Es dürften nicht alle Vorfälle der Polizei bekannt werden, weil Vorfälle ohne schwere Verletzung längst nicht alle angezeigt werden und die Polizei deshalb eher zufällig davon Kenntnis erhält», heisst es im Bericht.

Mit niedriger Frequenz fänden in der Szene sowohl Konzerte wie Veranstaltungen zu Jahrestagen statt. Auch hier suchten die Rechtsextremen nicht den grossen Auftritt, sondern hielten sich von der Öffentlichkeit möglichst fern. «So lieferten der Bundesfeiertag und die Gedenktage für die Schlachten von Sempach und Morgarten einen Grund für kleinere Veranstaltungen: Auf dem Rütli trafen sich am 2. August 2014 rund dreissig Rechtsextreme, Sempach LU war am 5. Juli 2014 für rund achtzig Rechtsextreme Anlass zu einer Schlachtfeier mit Grillfest und Konzert, etwa die gleiche Anzahl Personen veranstaltete am 22. November 2014 nach Eindunkeln einen Fackelmarsch zum Morgartendenkmal in Oberägeri ZG.»

Vereinzelt und unter möglichst langer Vermeidung genauer Orts- und Zeitangaben fänden Skinheadkonzerte statt; Räume hierzu würden unter falschen Angaben gemietet oder von Personen zur Verfügung gestellt, die zur Szene gehören oder ihr nahestehen. «Jüngste Ausnahme von dieser seit längerem währenden Öffentlichkeitsabstinenz war der Aufmarsch in Solothurn Mitte Februar 2014, doch wurde auch dieser verdeckt vorbereitet, die rund achtzig Rechtsextremen verbargen ihr Gesicht hinter Masken und verteilten sich nach einer Viertelstunde in alle Richtungen», steht im Bericht.

Insgesamt gab es im Berichtsjahr zwar deutlich mehr linksextreme Vorfälle (218, davon 74 gewaltbereite), von den insgesamt 19 gemeldeten rechtsextremen Vorfällen waren mehr als die Hälfte gewaltorientiert.

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