Jürg Stahl (SVP) wird der nächste Nationalratspräsident
«Ich bin kein Scharfmacher»

SVP-Nationalrat Jürg «Tschüge» Stahl beschreibt sich selbst als unspektakulär und Repräsentant der Normalos. Messerscharf ist einzig sein Hobby.
Publiziert: 19.11.2016 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 00:58 Uhr
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Der baldige höchste Schweizer, Jürg Stahl, sammelt Sackmesser.
Foto: Toini Lindroos
Nico Menzato (Text), Toini Lindroos (Foto)

Diese Woche erhielt Jürg Stahl (48) einen Brief vom Verein Geothermische Kraftwerke Aargau. Adressiert mit «alt Nationalrat». Die Anekdote zeigt: Obwohl der Winterthurer in neun Tagen zum höchsten Schweizer gewählt wird, bleibt er unscheinbar und unbekannt. «Ich bin kein Scharfmacher, sondern unspektakulär und ein Repräsentant der Normalos», sagt der SVP-Mann, der schon seit 17 Jahren in der grossen Kammer sitzt. Früher habe ihn dies manchmal beschäftigt. Jetzt sieht er es als Stärke.

Der Gesundheitspolitiker hat keine Feinde. Seine grösste Gegnerin sei Jaqueline Fehr gewesen. Die heutige Zürcher SP-Regierungsrätin sagt, Stahl sei «ein guter Kollege, ein hartnäckiger Politiker und ein sportlicher Gegner» gewesen. «Seine Nähe zu den Krankenkassen gab uns viel Stoff für leidenschaftliche Debatten.» Lob selbst von der grössten Gegnerin! Kein Wunder, denn Stahl ist ein gmögiger Kumpeltyp. Freunde und Politikerkollegen nennen in «Tschüge». Im Vergleich zu den SVP-Haudegen ist er nicht scharfzüngig.

Der Major sammelt Sackmesser

Messerscharf ist jedoch eines seiner Hobbys: Der Major sammelt Sackmesser. Über 200 Stück hat er. «Viele der Messer haben eine Geschichte, sie erinnern mich an Erlebtes», erzählt er. Eines habe er von einem Berufskollegen geschenkt bekommen. Dieser sei in Kolumbien überfallen worden. Der Räuber habe das Zelt aufgeschlitzt, Wertsachen geklaut – und das Messer liegen gelassen.

Besonders rasant ist seine Sammlung seit 2011 gewachsen. Damals begann er, von seinem ungewöhnlichen Steckenpferd zu erzählen. Absichtlich, weil er nicht mehr Wein geschenkt bekommen wollte. «Ich hatte einen prall gefüllten Weinkeller, aber alles Einzelflaschen. Das ist unpraktisch, wenn man Gäste hat», so der gelernte Drogist.

Er will Chef von Swiss Olympic werden

2017 wird Stahl nicht viel Zeit für Gäste haben. Neben dem Vollzeitjob als Nationalratspräsident will der Vater der einjährigen Valérie Julia nächste Woche zum Präsidenten von Swiss Olympic gewählt werden. Laut Insidern hat er beste Chancen auf das 50-Prozent-Amt zum Jahreslohn von 85'000 Franken. Sein härtester Herausforderer ist BDP-Präsident Martin Landolt. 

Zudem sitzt Stahl in der Geschäftsleitung der Groupe Mutuel. Kritiker monieren, er überlade sich. «Wenn man etwas gerne macht, kann man auch mehr arbeiten als üblich», entgegnet der Hobbyturner, der sich auf seiner Homepage als «weltoffen» charakterisiert.

«Das Positive der Schweiz betonen»

Ein weltoffener SVP-Politiker – der totale Widerspruch! Stahl verneint. Er und seine Partei hätten sich stets für eine wirtschaftliche Öffnung der Schweiz eingesetzt. «Wir sind nicht isolationistisch, hatten aber in den letzten Jahren eine Überdosis an Zuwanderern», meint er. Auch sei er als Sportfunktionär viel gereist – nicht nur in Europa.

Als Nationalratspräsident will er in erster Linie «in der Alltagsarbeit einen guten Job machen», sich «nicht zu wichtig nehmen» und «das Positive der Schweiz betonen». Ganz unspektakulär eben.

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