«Mut zur Veränderung»: Mit diesem Slogan wirbt Jil Lüscher für ihre Kandidatur als Aargauer Regierungsrätin. Die 59-Jährige aus Zofingen ist eine von über einem Dutzend Frauen und Männern, die um den Posten der abtretenden Susanne Hochuli (Grüne) ringen. Im Oktober finden die Wahlen statt.
Das Motto Lüschers bezieht sich dabei nicht nur auf ihr politisches Programm, sondern auch auf ihre Lebensgeschichte. Denn «Mut zur Veränderung» bewies die Aargauerin, als sie sich vor einigen Jahren durch eine geschlechtsangleichende Operation vom Mann zur Frau umwandeln liess. «Tele M1» begleitete Lüscher, die als Jörg geboren wurde, damals mit der Kamera auf dem langen Weg zur neuen, weiblichen Identität – bis hin zur Änderung des Passes.
Nun will Lüscher den Schritt in die Politik wagen. Auch wenn ihre Chancen auf eine Wahl realistischerweise klein seien, sei sie überzeugt, eine valable Kandidatin zu sein. «Ich nehme die Kandidatur sehr ernst und bin überzeugt, dass ich eine gute Regierungsrätin wäre» sagt Lüscher zu BLICK. «Ich glaube an mich und gebe mein Bestes.»
Lüscher betont, dass ihre spezielle Biografie in Bezug auf ihr politisches Engagement nur eine Nebenrolle spiele. «Mein Fokus liegt auf dem Thema Schule und Ausbildungswesen», sagt sie. «Wir müssen das duale Bildungssystem stärken und dafür sorgen, dass der Lehrerberuf wieder attraktiv wird.»
Gleichzeitig möchte sie mit ihrer Geschichte andere aber auch dazu ermutigen, zu sich zu stehen. «Es gibt ganz viele Menschen, die sich nicht trauen, ihr Potenzial auszuschöpfen. Ihnen möchte ich Mut machen und sie dazu ermuntern, etwas zu wagen», sagt Lüscher. Ihre Kandidatur könne zudem dazu beitragen, dass «ausgerechnet der so konservative und bünzlige Kanton Aargau als etwas progressiver und toleranter wahrgenommen wird».
Nicht der erste Transmensch, der in die Politik will
Lüscher ist eine von wenigen Hundert Frauen und Männern in der Schweiz, die ihr Geschlecht durch eine Operation angepasst haben. Eine von noch viel wenigeren – wenn auch nicht die erste – ist sie, die durch politische Ambitionen öffentlich auf sich aufmerksam macht. So hat bereits vor über zehn Jahren eine Transfrau für Schlagzeilen gesorgt, die für die Kantonsratswahlen kandidieren wollte. Sandra-Lia Infanger (heute 36) wurde der Platz auf der Wahlliste der Juso allerdings verweigert, weil in ihrem Pass zu diesem Zeitpunkt noch ihre männlichen Vornamen Adrian Thomas standen.
Mehr Erfolg hatte Alecs Recher (40), der 2004 – damals noch als Anja Recher – in den Gemeinderat der Stadt Zürich gewählt wurde. Insgesamt zehn Jahre war der AL-Politiker in der städtischen Legislative aktiv, 2008 outete er sich als erster Schweizer Politiker als Transmann. Wenig später gründete er das Transgender Network Switzerland, das sich für die Anliegen von Transmenschen einsetzt.
Jil Lüscher, die als Verlagsleiterin tätig ist, möchte nun gar den Sprung in die Exekutive schaffen. Mit einer Flyer-Aktion macht die Parteilose im Kanton auf sich aufmerksam, zudem geht bald eine eigene Homepage online. «Da ich keine Partei im Rücken habe, bin ich eine Einzelkämpferin», räumt Lüscher ein. Ein Kampf um Stimmen, der es ihr aber wert sei. «Ich hoffe, mit meiner Kandidatur besonders auch sonst politisch nur wenig Interessierte ansprechen zu können.»