Jetzt zählt nur noch die Romantik
Politiker wollen Verlobungsrecht abschaffen

Verspricht sich ein Paar die Ehe, gilt es rechtlich als verlobt. Wird die Verlobung wieder aufgelöst, hat man dank Verlöbnisrecht gewisse Ansprüche. Rechtspolitiker wollen es jetzt abschaffen.
Publiziert: 04.11.2019 um 23:29 Uhr
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Aktualisiert: 05.11.2019 um 10:25 Uhr
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FDP-Nationalrätin Christa Markwalder will das Verlöbnisrecht aufheben: «Um sich zu verloben, braucht die junge Generation keine gesetzlichen Vorschriften.»
Foto: Keystone
Ruedi Studer

Die Verlobung hat heute nicht nur romantische Seiten, sondern auch rechtliche Konsequenzen. Wer sich die Ehe verspricht, gilt auch vor dem Gesetzgeber als verlobt. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Heiratsantrag am Strand unter Palmen oder am Mittagstisch vorgetragen – und angenommen – wird. Eine besondere Form verlangt das Gesetz nicht. Rechtlich gilt die Verlobung spätestens mit der Hochzeitsanmeldung beim Standesamt.

Ansprüche nach Auflösung

Verbindlich ist die Verlobung aber nicht: Zu einer Heirat kann ihretwegen niemand gezwungen werden. Eine Auflösung ist jederzeit möglich – und sei es nur per SMS.

Genau hier setzt das Verlöbnisrecht an: Dank diesem Recht kann man bei einer allfälligen Verlobungsauflösung rechtlichen Ansprüche stellen. Aussergewöhnliche Geschenke – zum Beispiel den teuren Verlobungsring – kann der Partner zurückfordern, wenn er kalte Füsse bekommen hat.

Oder sie kann vom Ex «einen angemessenen Beitrag verlangen», wenn sie etwa das Hochzeitskleid schon gekauft, die Feier organisiert und die Flitterwochen bereits gebucht hat. Ausser ein solcher Beitrag wäre «unbillig». Das wäre etwa der Fall, wenn der Mann die Frau mit einem anderen im Bett erwischt hat – oder umgekehrt.

FDP-Markwalder: «Verlöbnisrecht ist überflüssig»

In der Praxis sind solche Rechtsfälle aber eine Seltenheit. «Schadenersatzansprüche von aufgelösten Verlobungen gehören definitiv ins letzte Jahrhundert», sagt FDP-Nationalrätin Christa Markwalder (44), die das Verlöbnisrecht abschaffen will. Das Bundesgericht hat sich laut der Bernerin letztmals 1957 mit der sogenannten Beitragspflicht befasst.

Markwalder selbst hat den Abschaffungsantrag in der nationalrätlichen Rechtskommission gestellt. Bei der Ausarbeitung der Vorlage «Ehe für alle», welche die Ehe auch gleichgeschlechtlichen Paaren ermöglichen will, ist sie über die «veralteten Bestimmungen» gestolpert.

Nach einer Umfrage im Chat der Berner Jungfreisinnigen war für sie klar: «Um sich zu verloben, braucht die junge Generation keine gesetzlichen Vorschriften. Deshalb ist das Verlöbnisrecht heute überflüssig.» Allfällige Ansprüche aus Geschenken liessen sich auch anderweitig einfordern – etwa über die ungerechtfertigte Bereicherung im Obligationenrecht.

CVP-Bregy: «Alter Zopf»

«Das Verlöbnisrecht ist ein alter Zopf, der abgeschnitten gehört», sagt auch CVP-Nationalrat Philipp Matthias Bregy (41, VS). Die Frage der Ansprüche sei oft schwierig zu beantworten. «Ob ein Ring einfach als Präsent fürs Schätzeli oder nur mit Blick auf die Heirat geschenkt wurde, ist schwierig zu beweisen», meint der Anwalt.

Früher habe das Verlöbnisrecht eine grössere Bedeutung gehabt – etwa wenn vorgängig finanzielle Hilfe geleistet werden musste, um die Hochzeit durchzuführen. «Heute kann man für die getroffenen Veranstaltungen ja notfalls eine Heiratsversicherung abschliessen», schiebt Bregy schmunzelnd nach.

SVP-Nidegger: «Kein Handlungsbedarf»

Widerstand gegen die Streichung kommt vor allem aus der SVP. «‹Ehe für alle› kann doch nicht ‹Verlobung für niemanden› heissen!», wehrt sich der Genfer Yves Nidegger (62). «Eine Verlobung verkommt damit zum rein symbolischen Akt, dann können wir ja auch gleich die Heirat zum symbolischen Akt erklären.» Eine Verlobung sei etwas Ernstes, das auch gewisse Verpflichtungen beinhalte, findet Nidegger.

Ihn stört auch der Zeitpunkt des Vorstosses im Zusammenhang mit der Ehe für alle. «Das Verlöbnisrecht war vorher kein Thema. Das zeigt: Es gibt schlicht keinen Handlungsbedarf.»

Seine Parteikollegin Andrea Geissbühler (43, BE) hält den Vorschlag schlicht für überflüssig. «Das Verlöbnisrecht stört niemanden. Anstatt unnötig Zeit damit zu vergeuden, könnten wir uns den wirklichen Problemen in diesem Land widmen.»

Doch: Die nationalrätliche Rechtskommission hat mit 13 zu 9 Stimmen entschieden, eine parlamentarische Initiative einzureichen, die die Verlobung aus dem Recht streichen und sie damit zu einer rein romantischen Angelegenheit machen will.

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