Jetzt wollen sie seine Agrarpläne versenken
Schneider-Ammann entgleitet die Gunst der Bauern

Der Streit zwischen Bauern und dem Wirtschaftsminister eskaliert zusehends. Mit Unterstützung der Nahrungsmittelindustrie wollen die Landwirte Johann Schneider-Ammanns Agrarpläne definitiv versenken.
Publiziert: 04.02.2018 um 23:24 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 14:05 Uhr
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Bauernverbandspräsident Markus Ritter will die Agrarpläne von Bundesrat Johann Schneider-Ammann in der Sommersession versenken oder zumindest abändern.
Foto: Peter Mosimann
Andrea Willimann

Die Bauern wollen die Agrarpläne von Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann (65) umpflügen. Mit auf den Traktor geholt haben sie Vertreter der Lebensmittelindustrie, Produzentenverbände und Tierschützer.

Ziel der Allianz: Im Sommer soll Schneider-Ammanns «Gesamtschau zur mittelfristigen Weiterentwicklung der Agrarpolitik» im Parlament versenkt werden. «Wir sind bereits an der Formulierung eines Rückweisungsantrags. Das Parlament steht über dem Bundesrat und kann ihm einen klaren Auftrag geben», kündigt Markus Ritter (50) an, Präsident des Schweizer Bauernverbands und St. Galler CVP-Nationalrat.

Für Ritter geht es ums Überleben der Landwirtschaft

Konkret werden die Bauernvertreter in der nationalrätlichen Wirtschaftskommission im März die Rückweisung der Gesamtschau beantragen, wie Ritter sagt. «Wir sind zudem an der Formulierung konkreter Änderungsanträge an den Bundesrat.» In der Sommersession – so das Ziel der breiten Allianz – könnte der Nationalrat die Rückweisung gutheissen und vom Bundesrat die geforderten Anpassungen verlangen. 

Hauptstreitpunkt ist die Lockerung von Grenzzöllen im Agrarbereich. Diese wäre aber nötig für ein neues Freihandelsabkommen mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay. Auch die EU verhandelt derzeit mit ihnen. Verbocken die Bauern ein Schweizer Abkommen, müssten hiesige Firmen künftig bis zu 35 Prozent höhere Zölle zahlen als die europäische Konkurrenz.

«Die Senkung der Zölle bedeutet den Tod der Schweizer Landwirtschaft, weil die Kosten bleiben und keine Kompensationsmöglichkeiten aufgezeigt werden», warnt Ritter. Und will den Passus ersatzlos streichen.

33-mal Ja zu Freihandelsabkommen gesagt

Ritter betont, die Bauern hätten nicht grundsätzlich ein Problem mit Freihandelsabkommen, wie der Landwirtschaftsminister immer wieder behaupte. «Die Schweiz hat 33 Freihandelsverträge. 33-mal sassen die Bauern am Tisch, 33-mal machten sie mit. Jetzt aber verweigert uns Johann Schneider-Ammann das Gespräch über unsere Existenz und erwartet zugleich von uns Gesprächsbereitschaft. Das machen wir nicht mit.»

Schneider-Ammanns Wirtschaftsdepartement sieht das anders. Wie alle Sektoren müsse auch die Landwirtschaft wettbewerbsfähiger werden. Man sei aber auch bereit, «die Landwirtschaft bei den vom Gesamtbundesrat vorgeschlagenen, zwingend nötigen Reformen zu unterstützen».

Lebensmittel-Verbände stärken den Bauern den Rücken

Aber die Bauern trauen lieber ihren eigenen Unterstützern. Der schrittweisen Reduktion der Agrarzölle hat sich im November die bäuerliche-grüne «Allianz für eine nachhaltige Landwirtschaft» aus Schweizer Tierschutz und einzelnen Produzentenverbänden entgegengestellt. Schützenhilfe liefert neu auch die Föderation der Schweizerischen Nahrungsmittel-Industrien (Fial).

Sie vertritt 16 Branchenverbände, von denen die meisten von einer Senkung der Zollschranken profitieren würden. Schoggi-Fabrikanten beispielsweise, die viele Rohstoffe aus dem Ausland beziehen. Doch Fial vertritt auch die erste Verarbeitungsstufe, beispielsweise die Müller oder die Hersteller von Speiseölen.

Diese erwarten, wie Fial-Co-Geschäftsleiter Urs Reinhard (41) erklärt, keine Vorteile in einer Marktöffnung. Selbst wenn sie die Rohstoffe zu den gleichen Preisen wie EU-Produzenten erhielten, wären sie nicht konkurrenzfähig. Reinhard kritisiert die Zollabbaupläne daher in fast gleicher Weltuntergangsmanier wie Ritter: «Für viele Betriebe der Landwirtschaft und der ersten Verarbeitungsstufe stellt sich so bloss noch die Frage, ob sie eher früher oder später von der Bildfläche verschwinden.» 

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