Herr Longchamp, Sie prognostizierten bei der Ecopop-Initiative einen um 13 Prozent höheren Ja-Anteil. Wieso lagen Sie derart daneben?
Von Prognose reden Sie, wir nicht. Wir haben festgehalten, dass die Umfrage, die im Schnitt am 11. November 2014 gemacht worden war, 56 Prozent Gegner und 39 Prozent Befürworter hatte. Über den weiteren Verlauf waren wir etwas unsicher, denn das Ja nahm minimal ausserhalb des Stichprobenfehlers zu. Das ist speziell. Wir haben aber auch erkannt, dass die Argumente für Ecopop weniger populär waren als die für die Masseneinwanderungs-Initiative. Deshalb war das Nein hier wahrscheinlicher. Die letzten 10 Tage Kampagne sind in der Umfrage nicht drin; sie waren aber heftig. Über 90 Prozent der redaktionellen Beiträge und ein ebenso hoher Anteil der gekauften Werbung waren zu Gunsten der Gegnerschaft.
Bei der Gold-Initiative lagen Sie gar um 15 Prozent daneben.
Die Meinungsbildung setzte hier viel später ein. Wir haben bei der Veröffentlichung darauf verweisen, dass es die unsicherste Entscheidung sei. Die Begründungen für den Meinungswandel sind hier ähnlich, weil es sich genauso wie die Ecopop Vorlage um eine rechte Aussenseiter-Initiative handelte: Schlusskampagnen und Schlussmobilisierungen gaben auch hier den Ausschlag. Am Schluss entschieden weniger Emotionen, sondern rationale Argumente für das Nein.
Mit Umfragen lagen Sie in den letzten Jahren immer mal wieder neben dem Abstimmungsergebnis. Etwa bei der Minarett- oder der Masseneinwanderungs-Initiative. Wieso werden Ihre Umfragen immer schlechter?
Sie werden nicht schlechter. Die durchschnittliche Veränderung zwischen letzter Umfrage und Resultat der letzten Jahre liegt bei Initiativen recht konstant bei fünf Prozentpunkten. Die drei grössten Abweichungen betreffen alles rechte Initiativen, aber nicht solche von der SVP. Hier versuchen wir dazuzulernen, was am Schluss geschieht, denn wir haben, wie übrigens die Online-Umfragen auch, alle drei überschätzt. Sicher gilt die einfache Analyse nicht, dass die Rechte in unseren Stichproben untervertreten sei, oder man im Interview nicht sagen wolle, dass man für entsprechende Initiativen stimme. Denn dann müssten wir bei solchen Initiativen stets darunter sein.
Was sind heutzutage die Probleme bei Umfragen?
Kontaktierbarkeit und Mitmachbereitschaft haben in den letzten fünf Jahren generell abgenommen. Die mobile Gesellschaft, aber auch die regelmässige Kritik an Umfragen zeigen Wirkungen. Wir prüfen seit 2012 Alternativen, die bis jetzt auf Dauer nicht bessere Ergebnisse liegen.
Wieso erhöhen Sie die Stichprobe nicht, um bessere Ergebnisse zu erhalten?
Die heutige Stichprobengrösse von 1400 ist bei Abstimmungen ausreichend. Eine Erhöhung würde mehr kosten, aber nur die Aussagen in Untergruppen wie den Parteien erhöhen, nicht aber die Stimmabsichten insgesamt.
Ihr Berufskollege Michael Hermann will ab 2016 anstelle des GFS Bern Abstimmungsumfragen durchführen. Fürchten Sie die Konkurrenz?
Furcht ist kein guter Ratgeber für Unternehmer. Wir bewegen uns in einem attraktiven Markt, auf dem alle sich anbieten können. Wir bieten als rein privatwirtschaftliches Institut unsere Stärken seit 1986 an.
Hermann wirft Ihnen vor, «die grösste Diva im Land» zu sein!
Ich forsche mit Leidenschaft und vermittle die Resultate lustvoll und mit Engagement. Seit über zwanzig Jahren auch am Fernsehen. Die langjährige Treue unserer breiten Kundschaft ehrt mich.