Vorlage der Grünen spaltet die Bauern
Das müssen Sie über die Fair-Food-Initiative wissen

Heute startet Bundespräsident Alain Berset den Abstimmungskampf gegen die Fair-Food-Initiative der Grünen. Diese kommt am 23. September vors Volk. BLICK erklärt, was Sie darüber wissen müssen.
Publiziert: 02.07.2018 um 10:27 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 21:55 Uhr
Ruedi Studer

Heute startet Bundespräsident Alain Berset (46) den Abstimmungskampf gegen die Fair-Food-Initiative der Grünen. Diese kommt am 23. September zur Abstimmung. BLICK erklärt, was Sie darüber wissen müssen.

Was will die Fair-Food-Initiative?

Die Grünen wollen Lebensmittel aus einer naturnahen, umwelt- und tierfreundlichen Landwirtschaft mit fairen Arbeitsbedingungen fördern. Dabei soll es keine Rolle spielen, ob die Lebensmittel aus der Schweiz stammen oder importiert sind.

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Das Initiativkomitee um die Grünen-Nationalrätin Maya Graf startet am Donnerstag, 9. August, die Kampagne für die Fair-Food-Initiative.
Foto: Keystone

Dafür werden dem Bund verschiedene Instrumente in die Hand gegeben. So kann er Vorschriften zur Zulassung von Lebens- und Futtermitteln und auch zur Deklaration von deren Produktions- und Verarbeitungsweise erlassen. Und über Zollkontingente und Einfuhrzölle kann er die Lebensmittelimporte steuern. Eine weitere Möglichkeit sind verbindliche Zielvereinbarungen mit der Lebensmittelbranche. Weiter soll der Bund regional und saisonal produzierte Lebensmittel fördern und Massnahmen gegen die Lebensmittelverschwendung ergreifen.

«Unsere Initiative ist der innovative dritte Weg zwischen schrankenlosem Freihandel auf Kosten von Umwelt, Mensch und Tier und der Abschottung», so Grünen-Nationalrätin Maya Graf (56, BL) in der Nationalratsdebatte. «Sie stellt den Wettbewerb um Qualität und Nachhaltigkeit ins Zentrum.»

Hilft die Initiative gegen Food-Waste?

Ja. Sie gibt dem Bund den Auftrag, gegen die Lebensmittelverschwendung vorzugehen. Dabei soll der Bund schon bei der Verarbeitung ansetzen – etwa indem auch krumm oder zu klein gewachsenes Obst und Gemüse wieder in die Nahrungs­mittelkette einbezogen werden. Der Bund soll aber auch mit entsprechenden Kampagnen die Bevölkerung für einen bewussten Umgang mit Lebensmitteln sensibilisieren.

Nicht ohne Grund: Jährlich landet in der Schweiz rund ein Drittel aller Lebensmittel im Abfall. Dies entspricht rund zwei Millionen Tonnen. Oder «140'000 voll beladenen Lastwagen, die aneinandergereiht eine Kolonne von Zürich bis nach Madrid bilden», wie die Initianten illustrieren. Das geht ins Geld. So gibt jeder Haushalt jährlich rund 2000 Franken für Lebensmittel aus, die nie konsumiert werden. 

Was spricht gegen die Initiative?

Die vom Wirtschaftsdachverband Economiesuisse angeführte Gegnerschaft stellt sich gegen noch stärkere Regulierungen im Lebensmittelbereich. Damit werde die Wahlfreiheit der Konsumenten eingeschränkt. «Die Initiative führt zu einer rigorosen Marktabschottung, bricht internationale Verpflichtungen und gefährdet Freihandelsabkommen», warnt Economiesuisse zudem. Sie befürchtet ein Bürokratiemonster und sieht Arbeitsplätze in der Lebensmittelindustrie gefährdet.

Allerdings gibt es auch bei den Gegnern durchaus gewisse Sympathien für die Initiative. So äussert der Bundesrat Verständnis für die Stossrichtung. Allerdings sieht er einige Anliegen bereits als erfüllt oder auf gutem Weg. Unter dem Strich überwiegen für den Bundesrat die negativen Aspekte – etwa das Risiko handelspolitischer Konflikte mit dem Ausland. 

Wer ist dafür?

Neben den Grünen unterstützen auch die SP, EVP, Alternative Linke und CSP die Initiative. In der Ja-Allianz finden sich zudem allerlei weitere Organisationen und Verbände, wie etwa Biosuisse, KAG Freiland, der Schweizer Tierschutz, Pro Natura oder die Konsumenten-Vereinigung Schweiz.

Wer ist dagegen?

Die bürgerlichen Parteien stellen sich gegen die Initiative: SVP, FDP, CVP, BDP und GLP. Starker Widerstand kommt aus der Wirtschaft: Neben Economiesuisse sagt etwa auch der Gewerbeverband deutlich Nein. 

Was sagen die Bauern dazu?

In der Landwirtschaft gibt es keine einheitliche Meinung. So hat der Bauernverband denn auch Stimmfreigabe beschlossen. Allerdings gibt es auch hier Sympathien: «Die grundsätzlichen Ziele der Initiative sind fairer Handel und gesundes Essen. Diese Anliegen sind auch im Sinn der Schweizer Landwirtschaft», sagte Bauernpräsident und CVP-Nationalrat Markus Ritter (51, SG) in der Nationalratsdebatte. Allerdings hatte das Stimmvolk gerade erst einem neuen Landwirtschaftsartikel zum Thema Ernährungssicherheit zugestimmt, weshalb sich Ritter der Stimme enthielt. 

Im Parlament stimmten die meisten Bauernvertreter aber gegen die Initiative. Kleinere Bauernorganisationen hingegen haben die Ja-Parole beschlossen, so etwa die Kleinbauern-Vereinigung und die Bauern-Gewerkschaft Uniterre. Ebenso der Landfrauen- und Bäuerinnenverband.

Kommt am 23. September noch eine Landwirtschaftsvorlage vors Volk?

Ja. Die von der Bauerngewerkschaft Uniterre lancierte Volksinitiative für Ernährungssouveränität kommt gleichzeitig vors Volk. Diese hat eine «solidarische und bäuerliche Landwirtschaft» zum Ziel und ist radikaler als die Fair-Food-Initiative. 

So soll die Versorgung mit überwiegend einheimischen Lebens- und Futtermitteln erfolgen. Das Gentechnik-Verbot würde unbefristet in die Verfassung geschrieben. Weitere Forderungen sind etwa die Erhöhung der Zahl der in der Landwirtschaft tätigen Personen oder das Verbot für Subventionen zugunsten von Lebensmittelexporten.

Haben wir nicht gerade erst über die Landwirtschaft abgestimmt?

Doch! Am 24. September 2017 hat das Stimmvolk einen neuen Verfassungsartikel zur Ernährungssicherheit mit 79 Prozent Ja deutlich angenommen. Ursprünglich hatte der Bauernverband eine Volksinitiative dazu lanciert, diese aber zugunsten eines umfassenderen Gegenvorschlags zurückgezogen.

Dieser sieht etwa vor, dass landwirtschaftliche Flächen besser geschützt und erhalten bleiben. Ausserdem muss sich die Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft besser auf den Markt ausrichten. Auch das Thema Foodwaste packt der Verfassungsartikel bereits an.

Alle Abstimmungen auf einen Blick

Die Schweiz stimmt wieder ab: Erklärungen zu allen Initiativen, aktuelle News und prominente Stimmen zum Thema finden Sie hier.

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