Jetzt erst recht!
Streikfrauen wollen vier Bundesrätinnen

Viele Frauen der Streikkollektive wünschen sich eine weitere Frau im Bundesrat – und stellen sich hinter Regula Rytz. Aber auf die Unterstützung der Politikerinnen in Bern können sie nicht zählen.
Publiziert: 30.11.2019 um 23:37 Uhr
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Aktualisiert: 01.12.2019 um 15:57 Uhr
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Die Frauen der Streikkollektive geben keine Wahlempfehlung für die Bundesratswahlen aus. Dennoch machen mehrere Exponentinnen klar, dass sie die Bundesratskandidatur von Grünen-Präsidentin Regula Rytz unterstützen.
Foto: Keystone
Camilla Alabor

Mehr Frauen in die Politik!» So war es diesen Juni lautstark auf den Strassen der Schweiz zu hören. Die Forderung zeitigte Erfolg: Der Anteil der Parlamentarierinnen ist so hoch wie nie zuvor. Und nun kandidiert mit Grünen-Präsidentin Regula Rytz (57) auch noch eine Frau für den Bundesrat. Damit steht das Parlament vor der Frage, ob die aktuelle Regierung bleiben soll, wie sie ist – oder ob Frauen dort künftig die Mehrheit stellen.

Im Jahr des Frauen­streiks hätte der Einzug von Regula Rytz in den Bundesrat grossen Symbolgehalt. Nicht nur, weil mit ihr die Mehrheitsverhältnisse kippen könnten – sondern auch durch das, was die Bernerin verkörpert. Als Präsidentin der kantonalen Fachkommis­sion für Gleichstellungsfragen und bekennende Feministin setzt sie sich seit Jahren für die Anliegen der Frauen ein. Schon beim Frauenstreik 1991 war sie an vorderster Front mit dabei, unter anderem mit einem eigenen Streikkollektiv der Universität Bern.

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Und so bewarb Rytz ihre Kandidatur für den Ständerat nicht etwa mit einem Umweltsujet, sondern – Megafon in der Hand, Entschlossenheit im Blick – mit einem Bild von ihr am ersten Frauenstreik.

Schweiz vertrage eine vierte Bundesrätin

Was also meinen die Streikfrauen zu ihrer Bundesratskandidatur? Corinne Schärer, Leiterin Abteilung Politik bei der Unia und Koordinatorin der Deutschschweizer Streikkollektive, betont: Eine gemeinsame Position der Streikkollektive existiere nicht, da es seit der Bekanntgabe von Rytz’ Bewerbung für einen Sitz in der Landesregierung kein Koordinationstreffen und somit auch keine Diskussion darüber gegeben habe.

Gleichwohl hält Schärer fest: «Wir haben uns generell eine Frauenwahl gewünscht und auch dazu aufgerufen. Indirekt unterstützen wir die Wahl von Rytz so oder so.» Für sie persönlich sei klar: «Natürlich ist die Frauenfrage bei den Bundesratswahlen wichtig. Die Schweiz verträgt in jedem Fall noch eine vierte Bundesrätin!»

Auch die Streikfrauen in Solothurn stehen hinter Rytz. «Wir finden, im Sinne des Frauenjahrs wäre es eine legitime Konsequenz, wenn mehr Frauen im Bundesrat vertreten wären», sagt Laura Gantenbein vom Verein fem*so, die zugleich Präsidentin der Solothurner Grünen ist.

In Bern dagegen gibt das Kollektiv keine Wahlempfehlung ab. «Wir wollen unabhängig bleiben, das ist die Stärke unserer Bewegung», sagt Simona Isler, obschon sie sich eine Bundesrätin Rytz wünscht: «Regula Rytz ist eine von uns. Es wäre ein riesiger Erfolg, wenn sie – eine Frau und Feministin aus der Frauenbewegung – Bundesrätin wird.»

In Zürich präsentiert sich die Situation ähnlich wie in Bern. Die Zürcherinnen aber sehen die Aufgabe der Frauenstreikbewegung nicht in der Unterstützung einzelner Kandidatinnen, sagt Linda Zobrist vom dortigen Kollektiv. Dennoch stehen die Zürcherinnen hinter Rytz. «Eine Frauenmehrheit im Bundesrat hat sich in der Vergangenheit schon einmal positiv auf die Politik ausgewirkt», so Zobrist.

Chancen sind nicht besser geworden

Während viele Feministinnen ausserhalb des Bundeshauses Rytz’ Kandidatur zumindest positiv sehen, stellen die Parlamentarierinnen in Bern andere Überlegungen an. Sogar jene, die sich im Rahmen von «Helvetia ruft!» für mehr Frauen im Parlament eingesetzt haben.

So steht für SP-Nationalrätin Min Li Marti (45, ZH) und CVP-Nationalrätin Andrea Gmür (55, LU) die Frauenfrage bei den Bundesratswahlen nicht im Zentrum. Marti findet zwar, die drei Frauen im Bundesrat machten «einen sehr guten Job». Auch würde sie persönlich die Wahl einer weiteren Frau in die Landesregierung begrüssen. «Aber wenn drei von sieben Bundesräten Frauen sind, ist das keine schlechte Vertretung.» Auch für EVP-Nationalrätin Marianne Streiff-Feller gilt es bei der Wahl der Landesregierung «verschiedene Blickwinkel» zu berücksichtigen, etwa die Vertretung der Sprachregionen oder die partei­politische Zusammensetzung.

Gar nicht Stellung nehmen will GLP-Nationalrätin Kathrin Bertschy (40, BE), die neben ihrem Engagement bei «Helvetia ruft!» Co-Präsidentin von Alliance F ist, dem Bund Schweizerischer Frauenorganisationen. Nur so viel: «Es sind die Parteien, die den Bundesrat wählen, nicht Alliance F.»

Im Gegensatz zu den Streik­frauen stellen sich die Politikerinnen also nicht hinter Rytz. Damit sind die Aussichten für die Grüne, am 11. Dezember anstelle des FDP-Mannes Ignazio Cassis in den Bundesrat gewählt zu werden, nicht besser geworden.

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