Nächstes Jahr feiert die Integrationsvereinbarung in der Schweiz ihr zehnjähriges Bestehen. Doch sie fristet ein kümmerliches Dasein. Der Bund gibt den Kantonen zwar die Möglichkeit, Integrationsverträge abzuschliessen. Doch genutzt wird das Instrument nur selten.
Im Jahr 2013 unterschrieben gerade einmal 1364 Personen einen Vertrag – das waren drei Prozent der in Frage kommenden Gruppe. Darunter fallen primär neu zugewanderte Menschen aus Drittstaaten und solche, die via Familiennachzug in die Schweiz kommen. Einige Kantone setzen auch bei vorläufig Aufgenommenen auf die Vereinbarungen.
Grosse kantonale Unterschiede
Neuere Zahlen gibt es nicht, alle Kantone wursteln nach ihrem eigenen Gusto. Selbst der Bund hat im föderalistischen Wirrwarr die Übersicht verloren. Trotz Nachhakens kann das Staatssekretariat für Migration (SEM) auf Anfrage nicht einmal sagen, wie viele und welche Kantone überhaupt Integrationsvereinbarungen abschliessen.
Sicher ist: Während 2013 erst zehn Stände vom Instrument Gebrauch machten, sind es heute deutlich mehr. Das SEM stellt den Kantonen eine Mustervorlage zur Verfügung. An dieser orientiert sich etwa der Kanton Bern, der seit 2015 auf Integrationsvereinbarungen setzt – allerdings nur optional.
Das Berner Modell ist dreistufig. In einem obligatorischen Erstgespräch in der Gemeinde werden die Zugezogenen über ihre Rechte und Pflichten informiert. In einem zweiten Schritt kann eine Standortbestimmung durchgeführt werden. Erst danach besteht die Möglichkeit für eine Integrationsvereinbarung.
Gar nichts davon wissen will der Kanton Zug. Georg Blum, Leiter des Migrationsamts, sagt: «Sie bringen viel Aufwand und wenig Ertrag.» Zielführender sei das Instrument der Verwarnung. «Damit drohen wir Ausländern, die sich nicht an unsere Gesetze halten, mit dem Entzug der Aufenthaltsbewilligung. Gerade bei jungen Personen funktioniert das sehr gut.»
St. Galler wollen nationale Lösung
Eine Vorreiterrolle nimmt der Kanton St. Gallen ein. Seit 2010 werden gemäss dem Sicherheits- und Justizdepartement jährlich rund 500 Vereinbarungen abgeschlossen. Im Zentrum steht dabei der Erwerb der deutschen Sprache.
Die Ausländer verpflichten sich zum Besuch entsprechender Kurse. Wer sich nicht daran hält, muss mit dem Entzug der Aufenthaltsbewilligung rechnen.
St. Gallen will nun dafür sorgen, dass Integrationsvereinbarungen landesweit zum Standard werden. Eine entsprechende Standesinitiative hat der Ständerat im März mit 21 zu 19 Stimmen knapp angenommen.
Hinter dem Anliegen steht Peter Göldi (CVP), der Präsident des Kantonsrats. Auslöser sei eine «absolut unintegrierbare bosnische Familie» gewesen, sagt er.
«Die Leute, die bei uns leben, müssen sich um ihre Integration bemühen, und der Staat muss ihnen klar kommunizieren, was wir von ihnen erwarten.» Weil das Problem schweizweit bestehe, brauche es eine einheitliche Lösung auf Bundesebene. Konkret fordert Göldi: «In der Vereinbarung braucht es messbare Kriterien in Bezug auf Werte, Sprachkenntnisse und die Einhaltung unserer Rechtsordnung.»
SVP: «Eigentlich eine Selbstverständlichkeit»
Ende April kommt das Geschäft in die Staatspolitische Kommission des Nationalrats – mit realistischen Chancen. So sagt etwa SVP-Nationalrat Gregor Rutz (ZH): «Dass sich Personen, die in der Schweiz Gastrecht geniessen, an Gesetze, Sitten und Bräuche halten müssen, sollte eine Selbstverständlichkeit sein.»
Leider habe die Schweiz aber ein Problem damit, ihr Recht durchzusetzen. «Ausländer, die sich hiesigen Gesetzen oder Werten konsequent widersetzen, sind umgehend auszuweisen. Die Standesinitiative geht deshalb absolut in die richtige Richtung.» Möglicherweise seien «griffige» Integrationsvereinbarungen ein Weg, um die Situation zu verbessern. Eine Verletzung der Verträge müsse aber auch handfeste Konsequenzen haben.
Genau gleich sieht es CVP-Nationalrat Marco Romano (TI). Zentral seien in den Vereinbarungen «der Respekt vor unseren Werten und Gesetzen» sowie das Beherrschen einer Landessprache.
Eine flächendeckende Einführung befürwortet der Tessiner. Der Bund solle Druck aufbauen auf die Kantone, diesen aber die Umsetzung überlassen.
Der Bundesrat selbst hatte sich noch 2013 für die flächendeckende Einführung von Integrationsvereinbarungen ausgesprochen. Die Vernehmlassung habe aber ergeben, dass dies «unverhältnismässig» und der zusätzliche administrative Aufwand für die Kantone zu gross wäre, schreibt er in einer Antwort auf einen parlamentarischen Vorstoss.
Diese Argumentation lässt der höchste St. Galler, Peter Göldi, nicht gelten. Dass das Anliegen von einem Kanton komme, zeige, dass diese bereit seien, den zusätzlichen Aufwand zu tragen.