Zuerst wurde er belächelt, jetzt erhält er Todesdrohungen: Christian Mathis (70) ist die Figur, die in Graubünden zurzeit am stärksten polarisiert. Mit seiner Initiative gegen die Sonderjagd hat der Jäger einen Nerv getroffen – und sich Dutzende Feinde gemacht.
Denn Mathis will eine Bündner Institution abschaffen: Seit gut 30 Jahren wird im Kanton zur Sonderjagd geblasen. Und zwar immer dann, wenn während der Hochjagd nicht genügend Wild geschossen wird.
«Es spielen sich verwerfliche Szenen ab»
Auf der Sonderjagd im November und Dezember bessern die Jäger nach. Damit genügend Tiere erwischt werden, gelten dann lockerere Regeln. Heisst konkret: Auch Hirschmütter, ihre Kälber und trächtige Hirschkühe dürfen erlegt werden.
Mathis ist das ein Dorn im Auge: «Während der Sonderjagd in Graubünden spielen sich verwerfliche Szenen ab. Das ist keine Jagd mehr, sondern nur noch ein Abschiessen!»
«Sie schiessen auf schwangere Hirschkühe»
An seinem Wohnort Küblis GR spielten sich während der Sonderjagd schlimme Szenen ab: «In der Frühe beginnen die Jäger herumzuballern, sie jagen das Wild durch die Dörfer und den Berg hinauf, schiessen auf schwangere Hirschkühe und Muttertiere mit ihren Kitzen. In Geländewagen verfolgen die Jäger das Wild und passen es ab.»
Mathis, der die letzten 36 Jahre immer auf der Pirsch war, findet das grausam: «Für mich sind Reh und Hirsch Nutztiere, ich esse ihr Fleisch sehr gerne. Aber als Nutzer müssen wir die Tiere auch respektieren.»
Grosser Rat erklärte Initiative für ungültig
Mit sechs Mitstreitern lancierte er deshalb eine kantonale Initiative zur Abschaffung der Sonderjagd und sammelte eine Rekordzahl von über 10'000 Unterschriften. Das Parlament erklärte die Initiative allerdings auf Antrag der Regierung für ungültig. Mathis zog vor das Bundesgericht und bekam Recht. Am Sonntag wird abgestimmt.
Mit seiner Initiative hat er sich in Jägerkreisen keine Freunde gemacht: «Ich werde immer wieder angepöbelt», so der Jäger: «Ich erhielt dutzende Drohungen, teils sogar Todesdrohungen: «Den Mathis sollte man in den Himmel schiessen» und so ähnlich.» Beirren lässt sich Mathis davon nicht: «Angst darf man nicht haben, wenn man so etwas macht.»
Andres Ambühl sitzt im Nein-Komitee
Auch seine Partei – Mathis vertrat die SVP im Grossrat, bevor er sich ganz seiner Initiative widmete – steht nicht vollständig hinter ihm: Sie beschloss die Stimmfreigabe. «Zuerst war ich gekränkt, aber danach hat es mir nichts mehr ausgemacht. Es ist ein Kompromiss.»
Der wohl prominenteste Gegner seiner Initiative ist Hockey-Legende Andres Ambühl (35). Der HCD-Spieler, der zurzeit an der Hockey-Weltmeisterschaft für die Schweiz stürmt, ist im Nein-Komitee. «Ich bleibe trotzdem HCD-Fan», sagt Mathis lachend. Und fügt schelmisch an: «Ambühl hätte lieber mehr trainiert, statt auf die Sonderjagd zu gehen. Dann wäre der HCD vielleicht nicht in den Play-Outs gelandet.»
Auf Distanz zu den Tierschützern
Unterstützung findet Mathis' Initiative derweil unter Tierschützern. Das ist ihm allerdings nicht ganz geheuer. Er versucht, auf Distanz zu seinen Mitstreitern zu bleiben: «Sie wollen die Jagd abschaffen, das finde ich absolut daneben. An einer schönen Bündner Hochjagd habe ich Freude.»
Nun fiebert Mathis der Abstimmung am Sonntag entgegen. Er rechnet seiner Initiative trotz allem gute Chancen aus: «Ich glaube, die Bevölkerung steht hinter uns.»