SonntagsBlick: Frau Badran, Sie kandidieren nicht als Präsidentin der SP. Warum?
Jacqueline Badran: Ich will keine Berufspolitikerin werden. Und schon gar nicht will ich irgendein Pöstchen. Ich hasse Pöstchen. Aber ich habe mich entschlossen, als Vizepräsidentin zu kandidieren. Unter der Voraussetzung, dass Mattea Meyer und Cédric Wermuth als Co-Präsidium gewählt werden.
Was gab den Ausschlag für Ihre Kandidatur?
Ich will Teil einer Mission sein! Und die beiden haben eine, die ich teile. Wir haben uns monatelang ausgetauscht und sind uns einig, wie wir die Partei programmatisch weiterbringen wollen.
Und wie sieht diese Mission aus?
Wir brauchen Antworten auf den zerstörerischen Teil des Kapitalismus, Lösungen für die Ungleichheits-, Umwelt- und Wachstumsfrage! Der Kapitalismus ist nicht mehr in der Lage, unsere grossen Probleme zu lösen. Und die SP ist die einzige Partei, die diese historische Aufgabe leisten kann. Schon das letzte Jahrhundert war das Jahrhundert der Sozialdemokratie: Der Aufstieg der Mittelklasse, die Befreiung der Menschen von Existenzängsten durch die Schaffung der Sozialwerke, die Gleichstellung – alles unsere Leistung!
Warum braucht es die Partei dann noch?
Weil der Rückschritt längst begonnen hat: Wir haben schon neofeudale Strukturen. Das globale Kapital ist entfesselt, es schnappt sich alles, unser Wasser, unseren Boden. Werfen Sie mal einen Blick auf die Mieten in den Städten! Und während Konzerngewinne und Dividenden explodieren, müssen zeitgleich Millionen Menschen ihre Heimat verlassen. Das sind die Herausforderungen einer Sozialdemokratie der Zukunft. Um diesen zu begegnen, braucht die Partei einen radikalen Wechsel.
Was verstehen Sie darunter?
Das ist noch nicht spruchreif. Sicher aber ist: Wir müssen viel, viel aufmüpfiger werden. Die Sozialdemokratie kann nicht einfach versuchen die Kollateralschäden eines Systems, das ausser Kontrolle geraten ist, zu beseitigen.
Radikal gegen den Wählerschwund also.
Falsch. Wir haben programmatische Arbeit zu leisten. Ob wir in vier Jahren auf einen Wähleranteil von 20 Prozent kommen, ist uninteressant. Wir müssen langfristige Lösungen finden für die grossen, realen Probleme auf unserem Globus. Dann werden wir an der Urne belohnt.
Angenommen, Meyer, Wermuth und Sie werden gewählt. Werden Sie sich dann einfach dem Co-Präsidium unterordnen?
Hey, sorry, aber als Parlamentarierin und Unternehmerin glaube ich an die Kraft des Arguments. Ich bin gar nicht so dominant, wie alle immer sagen. Wir mögen uns und wir teilen die gleichen Ziele. Die Intensität der beiden begeistert mich. Sie sind zugleich fleissig und visionär, das liebe ich!
Sie haben sich also bereits abgesprochen?
Wir tauschen uns seit langem aus. Nach den Wahlen zeichnete sich ab, dass wir etwas Bedeutungsvolles machen könnten.
Sehen Sie sich als Korrektiv zu den beiden ehemaligen Jusos?
Nein. Aber es ist nicht so, dass wir bei allem gleicher Meinung sind. Die EU zum Beispiel sehe ich kritischer. Ich habe mehr Lebenserfahrung, aber die beiden brauchen mich nicht, ich ziehe den Hut vor ihrem Leistungsausweis.