Ja zur Individualbesteuerung
Nationalrat will Heiratsstrafe abschaffen

Die Heiratsstrafe soll weg! Nur wie? Der Nationalrat will mit einer Motion die Individualbesteuerung vorantreiben. Knapp mit 92 zu 88 Stimmen. Doch im Ständerat dürfte der Vorstoss auflaufen.
Publiziert: 10.03.2016 um 11:59 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 08:35 Uhr
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«Eine Vielfalt an Lebensformen ist heute Realität. Das Hochalten des klassischen Einverdiener-Modells ist weder zeitgemäss noch entspricht es der Realität»: SP-Nationalrätin Mattea Meyer (ZH).
Ruedi Studer

Der Kampf um die Abschaffung der Heiratsstrafe geht in eine weitere Runde. Das Ziel selbst ist zwar in Bundesbern unbestritten. Gestritten wird um den Weg – sollen Ehepaare weiterhin gemeinschaftlich besteuert werden oder braucht es einen Systemwechsel zur Individualbesteuerung?

Der Nationalrat votierte heute für die Individualbesteuerung! Mit 92 zu 88 Stimmen bei sechs Enthaltungen hiess er eine Kommissionsmotion gut, welche vom Bundesrat «raschmöglichst eine Gesetzesvorlage für die Individualbesteuerung» verlangt. In einem Bericht hatte der Bundesrat bereits aufgezeigt, dass ein Systemwechsel je nach Modell Steuerausfälle bei der direkten Bundessteuer von 240 Millionen bis 2,4 Milliarden zur Folge haben dürfte.

Nur SVP und CVP dagegen

In der Debatte schwangen die Befürworter aus FDP, SP, GLP, BDP und Grünen obenauf. «Eine Vielfalt an Lebensformen ist heute Realität. Das Hochalten des klassischen Einverdiener-Modells ist weder zeitgemäss noch entspricht es der Realität», plädierte SP-Nationalrätin Mattea Meyer (ZH) für einen Systemwechsel. Es gehe um einen Grundsatzentscheid, ob man dem gesellschaftlichen Wertewandel und den gleichstellungspolitischen Bestrebungen Rechnung tragen wolle.

FDP-Nationalrat und Gewerbedirektor Hans-Ulrich Bigler (ZH) machte auf den wirtschaftlichen Effekt aufmerksam, da dank der Individualbesteuerung vor allem Frauen auf dem Arbeitsmarkt mobilisiert werden könnten. Bei einem Systemwechsel bei Bund und Kantonen sei «ein Beschäftigungseffekt von 50'000 Vollzeitstellen» zu erwarten.

CVP-Nationalrat Alois Gmür (SZ) hielt dagegen, dass eine Mehrheit der Kantone die Individualbesteuerung ablehne. «Es würde ein Bürokratiemonster geschaffen, welches massive Mehrkosten verursachen würde.» Er erinnerte auch an die Volksabstimmung vom 28. Februar, bei welcher sich 16,5 Stände und 49,2 Prozent des Stimmvolks für die CVP-Initiative zur Abschaffung der Heiratsstrafe ausgesprochen hatte. Das wertet die CVP als Signal für die gemeinschaftliche Besteuerung.

Die SVP bekämpfte den Vorstoss ebenfalls. «Wir möchten ein Splitting-Modell. Der wichtigste Grund ist der Föderalismus», sagte SVP-Nationalrat Thomas Aeschi (ZG). Alle Kantone hätten die Heiratsstrafe beseitigt und sich mehrheitlich für ein Splitting-Modell entschieden. Mit der Individualbesteuerung sei die Konsequenz klar: «Alle 26 Kantone müssten ihre jeweiligen Steuersysteme wieder anpassen müssen.» Zudem führe die Individualbesteuerung zu «einer schleichenden Abschaffung der Ehe». 

Im Ständerat ist de Hürde höher

Auch wenn der Nationalrat nun die Individualbesteuerung vorantreiben will, dürfte die Hürde dafür im Ständerat doch zu hoch sein. Zwar hätten dort FDP, SP, Grüne und BDP gemeinsam eine Mehrheit – doch gerade bei freisinnigen Ständeräten dürfte es mit Rücksicht auf die eigenen Kantone einige Abweichler geben.

So hat gerade erst CVP-Ständerat Pirmin Bischof (SO) eine Motion eingereicht, welche die Beseitigung der Heiratsstrafe «auf dem Wege der gemeinschaftlichen Besteuerung» verlangt – etwa über ein Splitting- oder Teilsplitting-Modell.

25 Ständeräte haben den Vorstoss unterschrieben – darunter auch BDP-Ständerat Werner Luginbühl (BE) sowie die FDP-Ständeräte Josef Dittli (UR), Joachim Eder (ZG), Olivier Français (VD), Thomas Hefti (GL), Karin Keller-Sutter (SG) und Martin Schmid (GR).

Bundesrat lehnt Motion ab

Damit dürfte die Motion aus dem Nationalrat im Stöckli vom Tisch gefegt werden. Der Bundesrat dürfte also noch dieses Jahr eine Vorlage präsentieren, welche auf ein gemeinschaftliches Besteuerungsmodell fokussiert.

Man befinde sich seit Jahren in einer Patt-Situation, so Finanzminister Ueli Maurer (SVP) heute, der den Vorstoss zur Ablehnung empfohlen hatte. «Wenn wir zu einer Lösung kommen und aus dem Hamsterrad heraus kommen wollen, müssen wir in irgendeiner Form einen Kompromiss zwischen den verschiedenen Modellen finden.»

Im Moment sei es falsch, auf das Modell Individualbesteuerung zu setzen, so Maurer. Das Modell müsse nach der Volksabstimmung ohnehin nochmals geprüft werden. Der Bundesrat wolle nochmals eine Auslegeordnung zu den verschiedenen Modellen machen.

Sein vergeblicher Appell: «Fällen Sie hier noch keinen Vorentscheid!» Der Ständerat dürfte für Maurers Appell wohl mehr Gehör haben.

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