Mit Zuckerbrot und Peitsche will die SVP Justizminister Beat Jans (60) zu einer Verschärfung der Asylpolitik bewegen. Vor Monatsfrist war die Peitsche dran: «200 Tage Versagen» nannte die SVP die bisherige Bilanz des neuen SP-Bundesrates. Nun versucht es die SVP-Spitze mit Zuckerbrot.
Der Parteivorstand lädt Jans zu einem Austausch ein. In der Einladung, die Blick vorliegt, heisst es: «Ein offener Dialog zwischen Ihnen und uns dient der konstruktiven Findung und Umsetzung von Lösungen im Asylbereich. Wir würden uns freuen, wenn Sie unserer Einladung folgen würden.» Die SVP-Chefs wollen mit Jans über ihre zahlreichen Forderungen sprechen.
«Wollen keine Zustände wie in Deutschland»
SVP-Präsident Marcel Dettling (43) erwartet vom Bundesrat «ein Umdenken» in der Migrationspolitik. «Wir wollen keine Zustände wie in Deutschland», sagt er zu Blick und spricht die Probleme mit islamistisch gewalttätigen Asylbewerbern an, die im traurigen Höhepunkt des Attentats von Solingen mit drei Todesopfern gipfelten. Dettling betont allerdings, dass der SVP-Vorstand den Beschluss, Jans einzuladen, schon vor dem Anschlag in Solingen gefasst habe.
«Muss es zuerst Tote geben, bis der Bundesrat handelt?», fragt Dettling und verweist auf die Reaktion der deutschen Politik nach dem Anschlag in Solingen. Die sogenannte Ampel-Regierung (SPD, Grüne und FDP) hat diese Woche die Asyl-Schraube angezogen: konsequentere Abschiebung, Verschärfung des Messerverbots, mehr Mittel für die Behörden im Kampf gegen Islamismus. Konkret wurden bereits erste straffällige Afghanen in ihr Heimatland ausgeflogen.
CDU-Chef Merz auf SVP-Linie
Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU, 68) geht noch weiter und fordert einen Aufnahmestopp von Afghanen und Syrer und die Wiedereinführung von richtigen Grenzkontrollen. Dettling: «Als ich Merz gehört habe, dachte ich: Der vertritt ja schon fast schärfere Forderungen als die SVP.»
Dettling ist sich bewusst, dass SP-Bundesrat Jans nun nicht plötzlich die SVP-Positionen übernimmt. Aber: «Beim Grenzschutz könnte der Bundesrat sofort handeln.» Die Österreicher machten es mit Erfolg, die Schweden ebenso, sogar im links regierten Deutschland sei das kein Tabu mehr - «jetzt muss auch Jans über seinen Schatten springen».
Würde dann auch die SVP über ihren Schatten springen und etwa ihre Grenzschutz-Initiative zurückziehen? Dettling: «Sollten tatsächlich dauerhaft massiv weniger Asylsuchende kommen und geht die Kriminalität nachhaltig zurück, kann man auch darüber reden.»
Auch aus den Gemeinden steigt der Druck
Auch in Kantonen und Gemeinden steigt der Asyldruck. Viele Gemeindepräsidenten hätten sich besorgt an sie gewandt, sagt SVP-Nationalrätin Nina Fehr Düsel (43). «Der Druck auf die Gemeinden wird immer grösser, da die neue Flüchtlingsaufnahmequote von 1,6 Prozent nicht mehr machbar ist, insbesondere wegen des mangelnden Wohnraums und den Herausforderungen an den Schulen.»
Die Unterkünfte und Infrastrukturen seien voll mit Leuten, die «hier eigentlich nichts verloren hätten», so Fehr Düsel. Die Situation der Zürcher Gemeinden werde immer prekärer. Sie hat sich deshalb diese Woche zusammen mit weiteren acht Zürcher SVP-Nationalräten in einem offenen Brief an Asylminister Jans gewendet. Im Schreiben, das auch an den Zürcher Regierungsrat Mario Fehr (65) ging, bitten sie Jans, die Aufnahmequote für Asylbewerber auf kantonaler Ebene zu senken. Der offene Brief der Zürcher ist offenbar unabhängig von der Jans-Einladung des Vorstandes der SVP Schweiz erfolgt.
Quote soll gesenkt werden
Die Aufnahmequote wurde in Zürich letzter Zeit mehrmals erhöht – von 0,9 Prozent auf 1,3 Prozent (ab Juni 2023) und nun seit dem 1. Juli 2024 auf 1,6 Prozent. Das entspricht 16 Personen auf 1000 Einwohnerinnen und Einwohner. «So kann es nicht weitergehen», heisst es an den SP-Bundesrat gerichtet. Unterzeichnet haben den Brief etwa auch Thomas Matter (58), Gregor Rutz (51) und Barbara Steinemann (48). Sie fordern, dass die Quote wieder gesenkt wird auf den Stand von Juni 2023.
Der Kanton Zürich muss gemäss Verteilschlüssel 17,9 Prozent der asyl- und schutzsuchenden Personen aufzunehmen. Um über genügend Unterbringungsplätze zu verfügen, sei es unumgänglich, auf die Hilfe der Gemeinden zurückzugreifen und die Aufnahmequote im Juli zu erhöhen, teilte die Zürcher Sicherheitsdirektion Anfang Jahr mit: «Die Gemeinden machen einen hervorragenden Job. Dafür bin ich sehr dankbar und überzeugt, dass sie unsere Bemühungen weiter unterstützen werden», sagte Regierungsrat Fehr damals.
Neues Bundesasylzentrum geplant
Dass der Bund künftig weniger Flüchtlinge an die Kantone weitergeben – und diese dann an die Gemeinden, ist jedoch eher unrealistisch.
Auch Asylminister Jans sucht dringend nach Unterkünften, wo die ankommenden Flüchtlinge aufgenommen werden können. In einem Fall wurde er schon fündig: Voraussichtlich ab Mitte September will das Staatssekretariat für Migration in Bremgarten AG ein temporäres Bundesasylzentrum eröffnen. Dort sollen bis im März 2025 bis zu 120 Asylsuchende unterkommen.