Was haben wir da gesehen, am Mittwoch, während der Nationalratsdebatte zur Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative? Da stand einer, grau in grau wie meist, und peitschte seine Vorlage – keine Höchstzahlen, keine Kontingente, sanfter Inländervorrang – ganz unsanft Richtung Mehrheit in der grossen Kammer.
FDP-Nationalrat Kurt Fluri stand da wie vor ihm schon lange kein Freisinniger mehr. Er focht für seine Überzeugung wie ein Winkelried, die Initiative auf dem schmalen Grat zwischen Schweizer Verfassung und bilateralen Verträgen mit der EU umzusetzen. Wo Freisinnige sich gewöhnlich vor der Phonstärke der SVP ducken, blieb Fluri aufrecht, liess das rhetorische Hagelwetter zumindest äusserlich stoisch an sich vorüberziehen.
Der Jurist aus Solothurn weiss genau, dass mit dem Gesetzesentwurf die Initiative nur schwach umgesetzt ist – der Vorwurf des Verfassungsbruchs ist nicht einfach aus der Luft gegriffen. Für einen wie ihn gehört die Einhaltung internationaler Verträge jedoch ebenfalls in den Rang des Verfassungsrechts.
Vor diesem Hintergrund handelt Fluri im höheren Interesse des Landes und ausserhalb des tagespolitischen Parteiengezänks.
So wie das die Schweizer Staatsgründerin FDP im Lauf ihrer 150-jährigen Geschichte über viele Jahrzehnte und stärker als andere Parteien immer wieder getan hat. Insofern ist Fluri in guter Gesellschaft beim Versuch, in dieser zentralen Frage den Freisinn wieder grundsätzlicher zu positionieren.
Dazu gehört jedoch zwingend auch Klarheit über die zweite, die aussenpolitische Leitplanke der Bilateralen.
Solange sich die FDP in diesem Punkt nicht auf einen klaren Auftrag des Wählers berufen kann, ist der Vorwurf des Verfassungsbruchs nicht aus der Welt zu schaffen.
Deshalb gehört die Frage zwingend vor das Volk: Wollen wir die Bilateralen beibehalten?