So will der Bundesrat ältere Arbeitskräfte stärken
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KKS im Interview:So will der Bundesrat ältere Arbeitskräfte stärken

7 Massnahmen für Jobsicherheit
«Der Bundesrat will nur so viel Zuwanderung wie nötig»

Der Bundesrat verstärkt seine Anstrengungen, mehr Schweizer in Lohn und Brot zu halten. Grund dafür ist auch die Kündigungs-Initiative der SVP, die die Personenfreizügigkeit beseitigen will.
Publiziert: 15.05.2019 um 16:45 Uhr
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Aktualisiert: 15.05.2019 um 18:35 Uhr
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Bundesrätin Karin Keller-Sutter und Bundesrat Alain Berset stellen sieben Massnahmen vor, um das inländische Arbeitskräftepotenzial besser zu nutzen.
Foto: Keystone
Sermîn Faki

Der Bundesrat tritt die Flucht nach vorn an – damit die Schweizerinnen und Schweizer sich auch weiterhin für die Personenfreizügigkeit und damit für den bilateralen Weg aussprechen. Denn beides steht auf der Kippe: Im kommenden Jahr wird die Begrenzungs-Initiative der SVP an die Urne kommen. Sie verlangt die Kündigung der Personenfreizügigkeit.

Wie sich 2014 bei der Abstimmung über die Masseneinwanderungs-Initiative (MEI) gezeigt hat, ist das Volk durchaus bereit, solch radikalen Forderungen zuzustimmen. Auch, weil viele Schweizer um ihren Arbeitsplatz fürchten, wenn günstige und gut qualifizierte EU-Bürger ins Land kommen. Gerade ältere Schweizerinnen und Schweizer haben da oft einen schweren Stand.

«Inländervorrang light» reicht nicht aus

Daher gibt der Bundesrat Gegensteuer. Mit sieben Massnahmen, die Justizministerin Karin Keller-Sutter (55) und Sozialminister Alain Berset (46) vorgestellt haben, will die Landesregierung dafür sorgen, dass das inländische Arbeitsmarktpotenzial besser ausgeschöpft wird. Denn der «Inländervorrang light» zur Umsetzung der MEI reicht nicht aus, um die Schweizer von der Personenfreizügigkeit zu überzeugen. Diese Meinung hat sich inzwischen im Bundesrat durchgesetzt. «Der Bundesrat will nur so viel Zuwanderung wir nötig», betonte Keller-Sutter denn auch mehrfach.

Das sind die Massnahmen, die der Bund plant:

  • Überbrückungsrente: Wer über 60 Jahre alt ist und ausgesteuert wird, soll nicht mehr in der Sozialhilfe landen. Der Bundesrat will eine Art Überbrückungsrente einführen. Allerdings nur für jene, die weniger als 100'000 Franken Vermögen haben (Ehepaare 200'000 Franken, Wohneigentum wird nicht gezählt) und mindestens 20 Jahre lang in die AHV einzahlten. Das trifft auf etwa 60 Prozent der ausgesteuerten Ü60 zu. Die Mehrkosten belaufen sich geschätzt auf 95 Millionen Franken pro Jahr.
  • Zugang zu Beschäftigungsprogrammen: Wer heute ausgesteuert wird, hat zwei Jahre keinen Anspruch auf Bildungs- oder Beschäftigungsmassnahmen, die aus der Arbeitslosenversicherung bezahlt werden. Für Über-60-Jährige will der Bund diese Regel aufheben. Er startet dafür ein Pilotprojekt, das pro Jahr etwa 14 Millionen Franken kosten wird.
  • Ältere Ungelernte sollen schneller zum Lehrabschluss kommen: Der Bund will den Anteil der ungelernten Arbeitnehmer reduzieren. Dazu sollen diese schneller zu einem Lehrabschluss kommen. So sollen bestimmte Kompetenzen angerechnet werden, die diese Leute in ihrem Berufsleben erworben haben. Der Bund unterstützt das auf fünf Jahre angelegte Programm mit 3,2 Millionen Franken.
  • Spezielle Beratung für schwer vermittelbare Arbeitslose: Im Rahmen eines dreijährigen Impulsprogramms will der Bundesrat besondere Coachings und Trainings für schwer vermittelbare Arbeitslose, die auf dem RAV gemeldet sind, unterstützen. Diese sollen gezielter und besser beraten werden. Der Bund lässt sich das knapp 200 Millionen Franken kosten.
  • Kostenlose Laufbahnberatung ab 40 Jahre: Weil sich die Arbeitswelt rasant wandelt, will der Bund dafür sorgen, dass auch Erwerbstätige über 40 Jahre fit für den Arbeitsmarkt bleiben. Sie sollen eine kostenlose Standortbestimmung und Laufbahnberatung erhalten. Zunächst wird es in einigen Kantonen Pilotprojekte geben, danach werden Bund und Kantone ein Programm für die ganze Schweiz entwickeln. Für das Pilotprojekt stellt der Bund 6,6 Millionen Franken zur Verfügung, später weitere 30 Millionen.
  • Integrationsvorlehre für Flüchtlinge und andere Ausländer: Heute gibt es ein Pilotprogramm für anerkannte Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene. Diese werden in besonderen Kursen fit gemacht für eine Lehre. Dieses Programm soll ausgeweitet werden auf andere Gruppen von Zuwanderern – etwa auf solche, die im Rahmen des Familiennachzugs in die Schweiz kommen und keinen Berufsausbildung haben. Vorlehren sollen nicht nur in der Landwirtschaft, sondern auch in der Pflege und der Informationstechnologie angeboten werden. Der Bund will dazu pro Jahr etwa 15 Millionen Franken ausgeben.
  • Niederschwellige Angebote für schwer vermittelbare Flüchtlinge: Im Rahmen eines Pilotprojekts sollen Arbeitgeber Zuschüsse erhalten, wenn sie schwer vermittelbare Flüchtlinge einstellen und so coachen, dass sie einen langfristigen Arbeitsvertrag erhalten. Pro Jahr will der Bund dafür 3,8 Millionen Franken sprechen.

Koalition für Rahmenabkommen zusammenschweissen

All diese Massnahmen haben noch einen weiteren Sinn: Sie schweissen auch die EU-Koalition wieder zusammen, die beim Rahmenabkommen auseinandergebrochen ist: Die Hoffnung des Bundesrats ist, dass Gewerkschaften und Parteien nun wieder gemeinsam für den bilateralen Weg kämpfen.

«Die Sozialpartner haben die Reihen geschlossen», gab sich Keller-Sutter zufrieden. In der Tat hat der Bundesrat mit den Massnahmen Vorschläge von Arbeitgebern und Arbeitnehmern aufgenommen. Die sich aber erst auf Initiative von Keller-Sutter gefunden haben.

So soll die Arbeitslosigkeit bekämpft werden
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