Inländervorrang hilft bestenfalls jungen Arbeitslosen
Wenig Hoffnung für alte Ausgesteuerte

Ab heute gilt der Inländervorrang. Wie viele Arbeitslose dank dem eine Stelle finden werden, ist ungewiss. Für ältere Arbeitslose dürfte sich so viel nicht ändern. Ihr Risiko, in der Sozialhilfe zu landen, bleibt hoch.
Publiziert: 02.07.2018 um 01:20 Uhr
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Aktualisiert: 05.11.2018 um 10:43 Uhr
Wer beim RAV gemeldet ist und in einer Berufsgruppe mit hoher Arbeitslosigkeit einen Job sucht, erhält nun vor allen anderen die Information, dass gerade eine womöglich passende Stelle zu vergeben ist.
Foto: Keystone
Julien Duc, Pascal Tischhauser

Jetzt gilt der Inländervorrang light. Die Massnahme zur Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative verlangt, dass Arbeitgeber in Berufsgruppen mit einer Arbeitslosigkeit von mehr als acht Prozent freie Stellen den regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) melden müssen.

Betroffene Berufsarten sind beispielsweise: 

  • Landwirtschaftliche Gehilfen
  • Magaziner und Lageristen
  • Verputzer und Stuckateure
  • PR-Fachleute
  • Empfangspersonal 
  • Portiers
  • Küchenpersonal
  • Schauspieler

Und so funktioniert das: Nach der Meldung senden RAV-Mitarbeiter den Arbeitgebern passende Dossiers zu. Für die Unternehmen besteht aber keine Pflicht, eine vom RAV vorgeschlagene Person anzustellen. Eine kurze Meldung ans RAV reicht, und wenige Tage später darf die Firma wie gewohnt Personal rekrutieren. Immerhin erhalten beim RAV gemeldete Arbeitslose einen Zeitvorsprung.

Wie viele Stellensuchende dadurch einen Jobs finden, muss sich weisen. Ältere Arbeitslose werden es nach wie vor schwer haben. Doch genau diese leiden schon heute unter der grossen Konkurrenz, die der freie Personenverkehr ausgelöst hat. Denn ältere Arbeitnehmer sind teurer, und sie gelten bei vielen Unternehmen als weniger leistungsfähig.

Über 55-Jährige werden zwar weniger häufig arbeitslos als Jüngere, stehen sie aber erst einmal auf der Strasse, finden sie nur schwer wieder eine Anstellung. Sie werden deshalb auch überdurchschnittlich häufig ausgesteuert.

Wenn sie ihre Ersparnisse aufgebraucht haben, landen sie in der Sozialhilfe: Zwischen 2010 und 2016 stieg der Anteil der über 55-Jährigen in der Sozialhilfe um mehr als 50 Prozent auf rund 30'000 Personen, wie Zahlen der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (Skos) zeigen.

Wie es bei der Skos heisst, sind zunehmend auch Fachkräfte betroffen. Wenn die Taggelder der Arbeitslosenversicherung zu Ende gehen und das Privatvermögen verbraucht ist, folgt der Absturz: Irgendwann kommt der einst stolze Techniker oder die frühere Kauffrau nicht mehr um den Gang zum Sozialamt herum.

Wer sich nun vom Inländervorrang Besserung erhofft, wird wohl enttäuscht. Daniel Neugart (56) mahnt, den Ball flach zu halten. «Der Inländervorrang ist nicht griffig genug», sagt der Präsident des Fachkräfteverbands Save 50Plus. Er berät über 50-jährige Arbeitslose auf dem Weg zurück in die Erwerbstätigkeit und kennt die Sorgen auch aus eigener Erfahrung genau – er verlor seinen Job mit 40.

Ob mit oder ohne Inländervorrang: Ausschlaggebend ist die Wirtschaft. Solange sie alte Mitarbeiter entlässt und durch junge ersetzt, hilft auch ein zeitlicher Vorsprung für Jobsuchende nicht.

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