In der vergangenen Woche verschrieb sie sich mit Haut und Haar der Sache der Frau. Was nicht erstaunt. Maya Graf (55) ist Parteimitglied der Grünen und Nationalrätin, sie war Fraktionschefin sowie 2013 die erste grüne Präsidentin des Nationalrats überhaupt. Und sie ist eine Frau. Ausserdem ist sie Co-Präsidentin von Alliance F, dem Dachverband der Frauenorganisationen der Schweiz.
154 Frauenorganisationen sind in Alliance F organisiert, 400’000 Frauen insgesamt – sogar das Frauenteam des FC Zürich gehört dazu. Dass bei einer Politikerin mit diesem Portfolio die Sache der Frau ganz obenan steht, ist selbstverständlich. Dennoch glich diese Woche selbst für eine wie Maya Graf einem Marathonlauf.
Gewalt gegen Frauen politisch bekämpfen
Am Montagmorgen stand Lobbying für die Istanbul-Konvention des Europarats auf dem Plan, über die am Nachmittag im Ständerat debattiert wurde. Darin geht es um Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt. «Jede zweite Woche», sagt Graf, werde in der Schweiz eine Frau von ihrem Mann oder Ex-Partner umgebracht. «Eines zivilisierten Landes unwürdig, nicht hinzunehmen», urteilt sie. Ein erster Erfolg: Die kleine Kammer befürwortet einen Beitritt zur Konvention.
Am Dienstag ist Vorpremiere des Spielfilms «Die göttliche Ordnung» in der Bundesstadt. Es geht um den Kampf für das Frauenstimmrecht, Alliance F ist Mitveranstalterin. Die erste Bundesrätin, Elisabeth Kopp, ist da, an der Seite von Maya Graf, der Frauenbewegten einer nachfolgenden Generation. «Unglaublich», sagt die Jüngere, «dass das im Film Gezeigte noch gar nicht lange her ist.»
Konflikt um Revision der Altersvorsorge
Dass der Kampf um die Rechte der Frau längst noch nicht gewonnen ist, zeigt die Debatte um die Revision der Altersvorsorge am gleichen Tag im Bundeshaus: Die grosse Kammer lehnt eine Erhöhung der AHV um 70 Franken ab. Nun hat Graf ein Problem – sie ist dafür.
Ihre Co-Präsidentin bei Alliance F hingegen, GLP-Nationalrätin Kathrin Bertschy, erklärte kürzlich im Gespräch mit den «Freiburger Nachrichten», sie lehne den Plan ab, die AHV um monatlich 70 Franken zu erhöhen. Angesichts der geburtenstarken Jahrgänge, die ins Rentenalter kämen, und der höheren Lebenserwartung sei eine solche Rentenerhöhung «mit der Giesskanne» unverantwortlich.
Innerfeministischer Konflikt?
Steht da Frau gegen Frau, manifestiert sich da ein innerfeministischer Konflikt zwischen den bürgerlichen Grünliberalen und den linksökologischen Grünen? Entzündet er sich an zwei Co-Präsidentinnen von Alliance F? Verhindert er möglicherweise, dass der Dachverband der Frauenorganisationen eine kohärente politische Position einzunehmen vermag?
Nun redet Maya Graf noch einen Takt sprudelnder als gewöhnlich, zückt Argumentarien und Positionspapiere. Es gehe darum, sagt sie, zu welchem Preis Alliance F eine Erhöhung des Rentenalters der Frauen auf 65 Jahre bei gleichzeitiger Senkung des Umwandlungssatzes auf sechs Prozent zu akzeptieren bereit sei – mit der Folge einer höheren Lebensarbeitszeit bei geringerer Rente.
Eine knifflige Sache. Es gibt da nämlich noch den sogenannten Koordinationsabzug, maximal knapp 25’000 Franken, die vom versicherten Lohn in der zweiten Säule abgezogen werden können. Damit sind überwiegend Teilzeit arbeitende Frauen und Paare, die sich Familien- und Erwerbsarbeit teilen, gegenüber dem veralteten «Ernährermodell» benachteiligt.
Ziel von Alliance F bei der AHV: Ein Sowohl-als-auch
Der Ständerat will den Abzug nur minimal senken, die 70 Franken AHV-Aufbesserung jedoch gewähren. Der Nationalrat will keine generelle AHV-Erhöhung, dafür aber den frauendiskriminierenden Koordinationsabzug abschaffen. Alliance F verfolgt beide Ziele. Alles klar?
«Es ist kompliziert, weil wir eine Lösung sowohl für die heutige ältere Frauengeneration als auch für die junge und zukünftige Generation brauchen», sagt Graf. «Aber wir werden uns bei Alliance F finden und bei einem allfälligen Referendum auch eine klare Wahlempfehlung abgeben.»
Sagts und entschwindet zu ihrem nächsten Termin, einem Vortrag mit der Überschrift: «Frauenrechte – (k)ein Thema für die Politik?» Mit Donald Trump im Weissen Haus, «der respektlos und demütigend über Frauen redet», gehörten Frauenrechte erst recht wieder auf die politische Agenda, meint Graf. So geht es wohl auch in Ordnung, dass sie sich wieder Feministin nennt – wohl nicht als Einzige bei Alliance F.