Der Auftrag kam direkt aus dem Kreml: 2020 überreichte der russische Botschafter in Bern eine Ehrenmedaille an die Baslerin Z. N.* Das Verteidigungsministerium in Moskau stellte ihr eine Urkunde aus und lobte ihre Verdienste bei der Bewahrung der Erinnerung an die «gefallenen Verteidiger des Vaterlandes», die Opfer der Roten Armee im Zweiten Weltkrieg.
N. ist Präsidentin von Russkij Basel. Das ist jener Verein, dessen Mitglieder vor einer Woche am Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest (ESAF) für einen Eklat sorgten. Am Festumzug in Pratteln BL schwenkten sie Russland-Flaggen, eine der Frauen trug ein Z auf ihrer Bluse – Putins Symbol für den Krieg gegen die Ukraine.
N. war es auch, welche die Propaganda-Aktion im Nachhinein zu beschönigen versuchte: Alles nur ein Missverständnis! Das Z sei nur der Anfangsbuchstabe des Namens der Trägerin, der Verein politisch neutral. Und: Unter den Mitglieder gebe es auch Ukrainerinnen.
Viel Trubel also um nichts? Von wegen! SonntagsBlick-Recherchen zeigen: Der Verein wird von Putin-Anhängerinnen gesteuert. Nicht nur die Präsidentin, auch weitere Strippenzieherinnen pflegen enge Verbindungen zu Propagandisten des Regimes.
Posieren mit Putins Motorrad-Gang
Gegen aussen treten vor allem zwei Frauen in Erscheinung: Präsidentin N. und ihre langjährige Mitstreiterin L. M.* Letztere war es, die in Pratteln mit dem Z auf der Bluse aufmarschierte. N. und M. propagieren die russische Kultur in der Schweiz, die Traditionen ihres Heimatlandes, die Geschichte. Und spannen dabei mit Putin-Verbündeten zusammen. Am auffälligsten geschieht das bei den jährlichen Gedenkfeiern zum «Tag des Sieges» am 9. Mai auf dem Basler Friedhof Hörnli. Dieses Jahr war die Feier besonders umstritten, Forderungen nach einem Verbot wurden laut.
Die Basler Regierung sprach zwar eine Bewilligung aus, beschränkte den Anlass aber auf eine kleine Gruppe rund um den russischen Botschafter. Am Ende marschierten knapp 100 Personen auf, eng bewacht von Polizisten mit Helmen und Gummischrotgewehr.
Unter den Teilnehmern waren auch N. und M. Auf Fotos posieren sie mit dem Botschafter – und mit den Nachtwölfen, Putins Biker-Gang, glühende Kriegsbefürworter. Mit den Kreml-Rockern machen N. und M. auch bei anderen Gelegenheiten gemeinsame Sache. Etwa als sie im Mai zusammen das durch einen Farbanschlag verschmierte Suworow-Denkmal in der Schöllenenschlucht reinigten.
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Wie «SRF Investigativ» berichtet, war bei der Putzaktion noch ein weiteres Mitglied von Russkij Basel dabei. Eine jüngere Frau, die auf einem Instagram-Foto ebenfalls ein Z auf dem Kleid trägt. Auf der Videoplattform Tiktok postete sie ein Video aus der Schöllenenschlucht. Titel: «Der Sieg wird unser sein!»
Kriegspropaganda auf sozialen Medien
Im Gegensatz zu ihrer Mitstreiterin M. hält sich die Präsidentin des Vereins mit öffentlichen Propaganda-Bekundungen zurück. Auf ihrem Facebook-Profil befinden sich zwar Einträge, die ihre Ansichten erahnen lassen. Zum Beispiel ein Video einer Diskussion der Verschwörungsideologen Ken Jebsen und Daniele Ganser über die aggressive Kriegspolitik des Westens. Im kleinen Kreis macht auch N. keinen Hehl aus ihrer Gesinnung, wie Leute aus ihrem Umfeld erzählen.
Bleibt die Behauptung von N., dass im Verein auch Ukrainerinnen aktiv sind. Ob sie damit auf O. D.* anspricht? Die Frau marschierte am ESAF mit der Trachtengruppe mit. Sie stammt aus Donezk in der Ostukraine. Was die Vereinspräsidentin verschweigt: O. D. ist Putin-Anhängerin. In den sozialen Medien postet sie beinahe täglich teils abscheuliche Kriegspropaganda.
Die Brisanz des moskautreuen Vereins geht über den Schwingfest-Vorfall hinaus. Russkij Basel richtet in den Kantonen Basel-Stadt und Baselland die Kurse für heimatliche Sprache und Kultur (HSK) aus. Das heisst: Der Verein unterrichtet Dutzende russischsprachige Primarschülerinnen und Primarschüler. Die Note fliesst ins Zeugnis mit ein.
«Wir fordern eine klare Distanzierung»
Zuständig für die Koordination der Kurse ist die vom Kreml ausgezeichnete Präsidentin N. Das Erziehungsdepartement des Kantons Basel-Stadt hat ihr und ihrem Verein eine Bewilligung für den Unterricht der Kinder ausgestellt. Bedingung: Die Lehrpersonen müssen konfessionell und politisch neutral unterrichten.
Die Kriegspropaganda am Schwingfest hat das Erziehungsdepartement nun aufgeschreckt. Kommende Woche müssen N. und ihre Mitstreiterinnen für ein Treffen antraben. Departementssprecher Simon Thiriet: «Wir fordern eine klare Distanzierung. Ansonsten behalten wir uns vor, die Zusammenarbeit mit dem Verein zu beenden.» Man werde die Situation nun klären und dann rasch eine Entscheidung treffen.
Gerne hätte SonntagsBlick auch den Frauen Fragen gestellt. Doch sie tauchten ab. Die Webseite des Vereins ist seit Mitte Woche offline. Dort steht: «Wir sind gleich wieder da.»
* Namen der Redaktion bekannt