Bundesrat Ignazio Cassis hat Österreich davor gewarnt, nach dem Vorbild der Schweiz die direkte Demokratie zu übernehmen. Man müsse sich bewusst sein, dass das politische System «mit Gefahren verbunden» sei.
Man dürfe «nicht denken, dass direkte Demokratie ein Kinderspiel ist», sagte der Aussenminister am Donnerstag am Rande des OSZE-Treffens in Wien gegenüber der Nachrichtenagentur APA. Zwar gebe es zwischen der Schweiz und Österreich einige Ähnlichkeiten wie bei Sprache und Geografie. Sonst aber seien die beiden Länder komplett verschieden. «Ich würde sagen: 180 Grad», so Cassis.
Unterschiedliche «genetische» Voraussetzungen
Die Schweiz sei ja historisch gesehen fast «als Gegenmodell zu Österreich entstanden – gegen die Habsburger», sagte er mit Blick auf das aus dem Aargau stammende und später von dort vertriebene Herrscherhaus. Zwar gebe es keinen Kaiser mehr in Österreich, aber die Menschen seien an eine hohe Machtkonzentration gewohnt, und «die Genetik des Volkes ändert sich nicht so schnell».
Demokratie als Verursacherin von «Albträumen»
Als Negativbeispiel nannte der Aussenminister die Volksabstimmung über den EU-Austritt Grossbritanniens. «Wir haben eine Art direkte Demokratieübung in England mit dem Brexit erlebt, und plötzlich war das ganze Land orientierungslos und erwachte am nächsten Tag wie aus einem Albtraum. Jetzt haben sie das Problem, das umzusetzen», sagte Cassis.
In der Schweiz hingegen habe man mit Volksentscheiden Erfahrung: «Am Sonntag wird entschieden, und am Montagmittag ist es schon verdaut, dann diskutieren die Politiker, aber im Volk ist es nie eine Tragödie.» Daher rate er Österreich, «sich das einfach genauer anzuschauen». Eine Variante sei auch, eine Mitbestimmung des Volkes «à la carte» einzuführen. (SDA/awi)